1905 wurde Wien von einem Mörder in Atem gehalten, der seine Taten in Form von
Bildkopien dokumentierte - schaurige Repliquen alter Meister, in die er seine
Opfer anscheinend wahllos als Dekorationen einbrachte. Eine Verbindung zwischen
den Ermordeten konnte nicht hergestellt werden. Julius Pawalet, ein mittelloser
junger Mann, wäre wahrscheinlich trotz einer gewissen Begabtheit nie aus der
Anonymität herausgetreten, die er mit jedem beliebigen Bürger des alten Wien
zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts gemein hatte, wenn nicht ein
geheimnisvoller Zufall in seinem Leben eine besondere Rolle gespielt hätte.
Er trat die Stelle des Saaldieners im berühmten Kunsthistorischen Museum an und
wurde damit Nachfolger seines Vaters Joseph, der unter vorerst nicht geklärten
Umständen ums Leben kam. Pawalet merkte, dass hinter den Mauern des Museums
ungeheuerliche Dinge geschahen, die das Tageslicht scheuten und im Verborgenen
blühen mußten, wie die Blumen des Bösen. Ein Maler, der in perfekter Manier
die Bilder der alten Meister kopierte, der Direktor des Museums, der unlautere
Geschäfte zu machen schien und eine faszinierende Frau aus edelster
Gesellschaft, die als täglicher Gast wie eine unheilvolle Verführerin durch
die Räume glitt, erweckten die sensible Wachsamkeit Pawalets.
Als sein Bewußtsein begann, die Zusammenhänge der Dinge zu begreifen, die auch
Bilder aus seiner eigenen Vergangenheit heraufbeschworen, war er bereits ins
Visier des unheimlichen Mörders gerückt, dessen traumatische Beziehung zur
Kunst sein Leben bedrohte. Britta Hasler hat hier einen excellenten Beweis ihrer
schriftstellerischen Begabung erstellt. In flüssigem, wortreichem Schreibstil
versteht sie es meisterhaft, den Leser in die Vergangenheit der
österreichischen Metropole zu entführen, in ein Wien, dessen kaiserlicher
Glanz in diversen dunklen Kanälen und durch gierige Machenschaften seine
schimmernde Politur verliert.
Die zahlreichen Protagonisten der Handlung sind ausgefallen in ihrer Struktur,
jeder Person wurde faszinierender Raum gegeben, sich dem Leser zu entfalten und
einzigartig zu sein. Die beiden Handlungsstränge sind in schicksalsträchtiger
Form miteinander verbunden. Nach und nach öffnen sich dem Leser die Facetten
ihrer Abhängigkeit voneinander, und der Spannungsbogen, den die Handlungsweise
des Täters von Beginn an aufbaut, bleibt zu jeder Zeit erhalten, steigert sich
eher noch mit dem Lesefortschritt.
Der Roman, in dessen Mitte die Bilder stehen, ist selbst wie ein Gemälde,
ausführlich und detailliert, sezierend und schockierend, empfindsam und
lustvoll - mit einer Palette menschlicher Neigungen, die jeder auch in sich
selbst finden kann - mehr oder weniger. Von mir erhält das Buch eine absolute
Leseempfehlung, verbunden mit der Hoffnung, weiter von der Autorin zu hören.
Fazit
Ein absolut gelungener Mix aus Unterhaltung, Spannung und Zeitgeschichte, der
dem Leser Vergnügen auf hohem Niveau bereitet.
Vorgeschlagen von brillenbaby
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veröffentlicht am 19. Januar 2013 2013-01-19 11:46:31