If I stay, Where she went, Sister in sanity, You can’t get there from here
sind Bücher aus der Feder der 1975 geborenen, in New York lebenden
amerikanischen Autorin Gayle Forman. Sie war als Journalistin für Magazine wie
Seventeen, Details, Jane und Glamour aber auch Elle und Cosmopolitan tätig,
bevor sie sich dem Schreiben von Kinder- und Jugendbüchern widmete. Ihre
mehrfach mit Preisen ausgezeichneten Bücher sind in verschiedene Sprachen
übersetzt.
Eines der gerade genannten Bücher, genauer If I stay (deutscher Titel Wenn ich
bleibe, erschienen bei blanvalet) hat mich zu Tränen gerührt, obwohl ich
allgemein absolut unsentimental eingeschätzt werde und zudem weit über der
Altersgrenze der damit anvisierten Leserschaft liege. Es ging darin um die
gerade erst erwachsen werdende Mia. Was als fröhlicher Tagesausflug beginnt,
endet für sie in einer Katastrophe. Ihr kleiner Bruder und ihre Eltern werden
bei einem Verkehrsunfall tödlich verletzt, sie selbst überlebt schwer verletzt
und ringt im Koma liegend mit dem Tod. Dennoch bekommt sie mit, wer sich alles
um sie bemüht und sie steht vor der Entscheidung ihrer Familie zu folgen oder
um ihr Leben und ihre Zukunft zu kämpfen. Eine der Personen, die bei ihrer
Entscheidung eine wichtige Rolle spielt, ist ihr Freund Adam.
Mit Lovesong halte ich die deutsche Übersetzung des Folgeromans dazu in
Händen. Laut Inhaltsangabe handelt es sich dabei um ein unvergessliches Buch
über eine unvergessene Liebe (...) Eine große Liebesgeschichte zweier
Menschen, die gegensätzlicher nicht sein können und sich doch brauchen, um
vollständig zu sein. (Zitat Verlagsseite)
Das dunkel gehaltene Cover zeigt als Motiv ein junges Paar, das Kopf an Kopf auf
dem Rücken auf einer Art Steg liegt. Der Mann trägt einen Kopfhörer und hat
die Augen geschlossen, die Frau sieht einen an. Zusammen mit dem ersten Satz
(Zitat: Jeden Morgen wache ich auf und sage mir: Nur ein weiterer Tag, nichts
als ein Zeitraum von vierundzwanzig Stunden, den ich bewältigen muss.) war ich
in Erinnerung an den eben erwähnten und bereits gelesenen Roman der Autorin
sofort Feuer und Flamme.
Lovesong spielt einige Jahre nach Wenn ich bleibe. Wie man der Inhaltsangabe
entnehmen kann, ist Adam ein gefeierter Rockstar und Mia eine erfolgreiche
Cellistin geworden. Die Welt steht ihnen also offen, doch die Wege der beiden
haben sich getrennt. Adam wird mit der von Mia initiierten Trennung nicht
fertig, droht daran zu zerbrechen. Eines Tages befinden sich beide zufällig in
der gleichen Stadt. Mia gibt ein Konzert, welches Adam aufsucht, um sie
wenigstens heimlich zu sehen. Danach kommt es zu einem ungeplanten Treffen,
einem Gespräch, einer Versöhnung. Wird damit alles gut?
Der Inhalt beider Bücher gehört zwar irgendwie zusammen, allerdings könnten
sie nicht unterschiedlicher sein.
Die Fortsetzung ist aus der Sicht Adams geschrieben. Er erzählt aus der
Gegenwart heraus und erinnert sich an das, was war. Adam zeigt sich dabei
wütend, weil Mia ihn aus ihrem Leben ausgeschlossen hat. Diese Wut verarbeitet
er in seinen Texten. Forman lässt ihre LeserInnen daran teilhaben, denn jedes
Kapitel der Gegenwart beginnt mit einem kleinen Bruchstück eines Songtextes.
Die Texte kommen beim Publikum an. Adam auch, seine weiblichen Fans himmeln ihn
an. Doch er ist ein seelisches Wrack. Er offenbart sich depressiv, melancholisch
und sensibel, in seiner Sensibilität allerdings auch sehr auf sich bezogen. So
hat er eine neue Beziehung, die jedoch darunter leidet, dass er Mia nicht
vergessen kann. Er zeigt sich innerlich zerrissen, was sich aber in gewisser
Weise nur absolut schlüssig offenbart, wenn man das Vorgängerbuch gelesen hat.
Grundsätzlich ist dies aber kein Muss.
Abgesehen von der Perspektive an sich hat sich auch der Schreibstil grundlegend
geändert. Das passt zwar perfekt zu den erzählenden Figuren (im ersten Buch
Mia, die sich eher sanft, fast poetisch und vor allem hoffnungsvoll bei mir
einprägte; im zweiten Buch wie bereits erwähnt Adam, der stellenweise derb
unvermittelt und vorwiegend depressiv zu Wort kommt). Die Autorin hat genau
durch diesen Perspektiv- und Stilwechsel sicher herausgearbeitet, wie
unterschiedlich die beiden Hauptfiguren sind. Gleichzeitig schafft sie in mit
beiden Büchern, ihre LeserInnen zu polarisieren. Ihre Figuren wirken dabei
glaubwürdig, Handlungs- und Denkweisen kann man größtenteils gut
nachvollziehen.
Doch während ich mit Mia und Adam im ersten Buch mitfiebern konnte, stießen
sie mich im zweiten Buch eher ab, kamen mir zudem vollkommen fremd vor.
Natürlich war der Fokus auf Adam in Wenn ich bleibe eher oberflächlich. Doch
in Lovesong konnte er durch sein Denken und Verhalten wenig Sympathiepunkte bei
mir erringen. Und auch Mia verlor durch ihr Verhalten und dessen Auswirkungen
auf Adam erschreckend an positiver Kraft. Dabei bewirkt Formans Schreibstil,
dass Mia eigentlich eher im Hintergrund schwebt und vorwiegend in den
Rückblicken wenig schmeichelhaft in Erscheinung tritt. Gleichzeitig konnte ich
nicht wirklich in die Fortsetzung der Geschichte eintauchen. Ich fühlte mich
eher wie eine distanzierte Beobachterin. Vielleicht, weil speziell die
Rückblicke im Zusammenhang mit dem Wissen um den Status quo einfach
präsentiert und weniger erzählt auf mich wirkten und mir wenig Möglichkeiten
für Gedankenspielereien boten.
Entgegen des zweiten Zitatteils der Inhaltsangabe auf der Verlagsseite geht es
also gar nicht wirklich um eine Liebegeschichte. Titel und Covermotiv der
gebundenen Ausgabe von Wenn ich bleibe haben in meinen Augen damals absolut
gepasst. Bei Lovesong finde ich beides eher unglücklich gewählt, haben sie
doch zusammen mit dem eben erwähnten Zitatteil eindeutig falsche Erwartungen an
den Buchinhalt bei mir geweckt. Der erste Zitatteil stimmt zumindest irgendwie,
denn Lovesong handelt natürlich von Gefühlen. Überaus stringent verfolgt die
Autorin im Buch Verletztheit, Zorn, Trauer, Angst und die Erinnerung an die
gescheiterte Beziehung zwischen Adam und Mia. Während Wenn ich bleibe voller
Hoffnung war, droht in Lovesong jegliche Hoffnung in Depressivität
unterzugehen.
Recht bald entstand beim Lesen der Eindruck einer gewissen Gezwungenheit, die
sich speziell am Ende noch verstärkte. Die Fortführung der Geschichte scheint
lediglich dem Erhalt der Figuren zu dienen. Was eigentlich erfrischend wirken
könnte (der wirklich sehr gut herausgearbeitete Gegensatz von Adam und Mia),
sorgt nicht nur dafür, dass beide Figuren sympathiearm fremd wirken, sondern
entbehrt bedauerlicherweise auch an Spannung.
Fazit
Gayle Forman hat zwei völlig gegensätzliche Bücher geschrieben. Leider
empfinde ich die Fortsetzung des Romans als nicht gelungen, obwohl die Grundidee
an sich gar nicht so schlecht und bestimmte Dinge (innere Zerrissenheit von
Adam, Gegensatz der Figuren, u. ä.) zudem sehr gut herausgearbeitet sind. Die
Punkte, die ich für die Geschichte vergeben möchte, sind eher der
handwerklichen Gestaltung als dem wirklichen Inhalt geschuldet. Der mehr oder
weniger offen gehaltene Schluss von Wenn ich bleibe setzte damals mein
Gedankenkarussell in Gang, wie es mit den beiden weitergegangen sein könnte.
Vermutlich wurde genau das Adam und Mia bei der Lektüre von Lovesong zum
Verhängnis. Und der Schluss von Lovesong beendet die Geschichte dann zudem
wieder nicht wirklich und hinterlässt in seiner Beschaffenheit ein eindeutig
unbefriedigendes Gesamtgefühl.
Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 20. Januar 2013 2013-01-20 15:09:20