Der Titel Wenn Sie jetzt anrufen, bekommen Sie den Moderator gratis dazu,
zusammen mit dem Untertitel Unglaubliches aus der Welt des Teleshoppings, lässt
vermuten, was im Großen und Ganzen auf Volks Leserschaft zukommt. Zumal die
1964 in Mannheim geborene und in Homburg aufgewachsene Autorin auch als
Kabarettistin und Comedian in Köln gemeinsam mit Nina Knecht (Volk & Knecht)
ihre scharfe Zunge mehrfach unter Beweis stellte, ihr Publikum zum Lachen
brachte und dafür mit diversen Comedy-Preisen bedacht wurde. Neben ihrer
Zusammenarbeit mit Knecht ist sie auch mit ihrem Soloprogramm VolksBelustigung
erfolgreich.
Andrea Volk erzählt gerne Geschichten, wie man einem Interview mit der
Rheinischen Post entnehmen kann, und musste einfach ein Buch schreiben, nachdem
sie mit ihren Erlebnissen aus sechs Jahren QVC bei den Leuten, denen sie davon
erzählte, Lachanfälle auslöste. In dem bereits erwähnten Interview führt
die Autorin (vielleicht nicht ganz ernst gemeint) an, dass ihre LeserInnen
krachend komische und irre investigative Unterhaltung erwartet. Dass sie eine
fast Loriot’sche Sicht auf das Miteinander und einen humorvollen Blick hinter
die Kulissen des Teleshopping-Alltags bietet. Dass Wenn Sie jetzt anrufen,
bekommen Sie den Moderator gratis dazu kein Buch zum Einschlafen ist.
Mit letzterem hat sie recht. Eingeschlafen bin ich nicht. Doch beim Rest kann
ich nicht vollkommen zustimmen. Das Buch lässt sich leicht lesen. Allerdings
sorgen diverse Wiederholungen für kleinere Längen, wenn man das Buch am Stück
liest. Da hilft dann auch der flüssig-lockere Schreibstil der Autorin nur
bedingt hinweg.
Hinzu kommt: Der methodisch wirkende, alltägliche Wahnsinn von Wahrheiten, die
vor der Kamera über Gebühr gedehnt werden ohne wirklich zur Lüge zu mutieren,
von explodierenden Entsaftern, von Weihnachtspräsentationen im Juli, von
Moderatoren die sich mit Experten unnötige und dem Prinzip Verkauf-ist-alles
absolut widersprechende Zwistigkeiten liefern oder von Experten, die um des
Verkaufs willen schon mal WC-Reiniger mit Aktivsauerstoff zu sich nehmen und mit
Kollegen auch nicht immer allzu gut oder fair umspringen, verliert vor dem
(vorsichtig ausgedrückt menschenverachtenden Prozedere) trotz seiner
Skurrilität eindeutig an Humor. Krachend komisch ist das Buch also nicht immer.
Irre investigativ irgendwie schon, wenn man die Betonung auf das erste Wort
legt.
Humor ist ja bekanntlich, wenn man trotzdem lacht. Doch irgendwie verging mir im
Laufe des Buches das Lachen mehr und mehr und sorgte letztlich gerade mal noch
für hochgezogene Mundwinkel. Daran war zumindest stellenweise auch der Umstand
schuld, dass Volk Teleshopping-Kunden als scheinbar grenzdebil bezeichnet,
mehrfach ähnliche Kommentare über sie losgelassen hat und ihnen offenbar per
se Geschmacklosigkeit unterstellt. Falls das Comedy ist, weiß ich warum ich die
meisten Comedians nicht mag. Es ist eine Sache ein System, Missstände und
Absurditäten anzuprangern. Egal ob das humoristisch geschieht oder nicht. Volks
Sicht auf Kunden, die immerhin daran beteiligt waren, dass sie sechs Jahre lang
an diesem System mitverdienen konnte, empfand ich jedoch weniger lustig.
Vielleicht weil man mir anlässlich meiner eigenen Tätigkeit im (normalen)
Einzelhandel eingebläut hat, dass Kunden zwar manchmal eigen, manchmal sehr
besonders und manchmal überaus speziell sind, aber doch dafür sorgen, dass ich
mir meine Brötchen zum Frühstück leisten kann.
Doch zurück zum Buch. Obwohl ich kein Fernsehgerät besitze und eher selten
einmal einen Blick in fremde Geräte werfe, sind mir Teleshopping, QVC und der
Designer Glöckler mehr oder weniger geläufige Begriffe. Dass ich dennoch einen
gewissen Wiedererkennungseffekt beim Lesen verspürte, alles förmlich direkt
vor mir sah, macht vielleicht deutlich, wie klar die Wortwahl der Autorin ist -
auch wenn der Designer im Buch blond ist, der Sender darin anders heißt und
beide eventuell gar nicht so explizit gemeint sind.
Die meisten von uns müssen auf irgendeine Art Geld verdienen. Manche, wie
Andrea Volk, absolvieren dafür Vorstellungsgespräche, bei denen sich
herausstellt, dass sie als Live-Experten geeignet sind. Solche Experten können
schon mal an Tagesumsätzen von drei Millionen beteiligt sein. Doch das gelingt
den wenigsten. Und manche - so die Autorin - werden nicht mehr gebucht, obwohl
sie dennoch fast eine halbe Million schaffen. Bereits das allein macht den Druck
deutlich, der auf diesen Experten lastet. Sie arbeiten an der Seite von fest
angestellten Moderatoren. Sie präsentieren Produkte, hinter denen sie nicht
immer 100%ig stehen. Sie werden am ehesten für einen Verkaufsflop
verantwortlich gemacht. Und das alles vor dem Hintergrund, dass besagte Experten
quasi selbstständig tätig sind und deshalb von heute auf morgen ausgetauscht
werden können. Das Arbeitszeiten überaus flexibel gestaltet dazu führen
können, dass manche von ihnen geradezu im Sender leben. Dass in der ach so
heilen, kunterbunten Fernseh-Verkaufswelt die Devise friss oder stirb scheinbar
perfektioniert wird.
Das eine oder andere Kapitel in Volks Buch wirkt überzogen - und tatsächlich
gibt Volk zu, manches überspitzt ausgeschmückt dargestellt zu haben. Manches
Mal wirkt auch die Ironie darin weniger fein als verbittert und - stellenweise
etwas zu bemüht. Doch allzu weit hergeholt scheinen Volks geschilderte Episoden
insgesamt keineswegs zu sein. Sie haben mich sofort an einen Artikel im Oktober
2012 erinnert, demzufolge die amerikanische QVC-Expertin Cassie Lane vor
laufender Kamera zusammenbrach und - Verkauf ist schließlich alles - ihr
Moderator Dan Wheeler mit ruhiger Stimme und einem Standbild das entsprechende
Produkt weiter anpries. Zwar soll es besagter Expertin hinterher wieder gut
gegangen sein, allerdings war ihr Zusammenbruch offenbar keinen Abbruch der
Verkaufsshow wert.
Sechs Jahre als Expertin für Plüschanzüge, Synthetikkleidung und
Reinigungsmittel. Jahre voller Intrigen, Eitelkeit und Dummheit, Willkür und
Illusionen. Voller Pleiten, Pech und Pannen. Trotzdem - allerdings nur auf Seite
271 - merkt die Autorin an, dass sie die Zeit rückblickend als "aufregend,
wunderbar, lustig, furchtbar, unerträglich, fantastisch und psychologisch
wertvoll" betrachtet. Außerdem: "Ich habe viel gelernt, viel
gelacht, tolle und blöde Menschen kennengelernt und den Kapitalismus von
innen." Womit mal wieder bewiesen sein dürfte, dass man sich auf Zeit und
unter bestimmten Umständen mit so ziemlich allem arrangieren kann.
Fazit
Vielleicht liegt es daran, dass ich mit den falschen Vorstellungen an das Buch
herangegangen bin. Irgendwo habe ich gelesen, dass es ein witziges Buch mit
ernsten Anklängen ist. Krachend komisch (wie im Interview von der Autorin
angegeben) fand ich es allerdings nicht. Trotz diverser tatsächlicher Lacher
sieht Humor anders für mich aus. Die bereits erwähnten Wiederholungen sorgen
ebenfalls für einen Punktabzug. Unterhaltsam informativ fand ich es dennoch und
ich bin zwischen einer gewissen Fassungslosigkeit und etwas Schadenfreude hin
und her geschwankt. Betrachte ich es jedoch als ernstes Buch mit einigen
witzigen Anklängen, kann ich es jedem empfehlen, der einen (einseitigen) Blick
hinter die Kulissen einer scheinbar gnadenlosen, niemals ruhenden Maschinerie
werfen möchte, die verblüffende Umsätze verzeichnen kann und kontinuierlich
wächst.
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 24. Januar 2013 2013-01-24 18:09:57