Im Januar 2006 wurde das Romandebüt von Anne Hertz mit dem Titel Glückskekse
erfolgreich veröffentlicht. Nach zwei weiteren Büchern (Wunderkerzen und
Sternschnuppen) erfuhr die Öffentlichkeit mit der Publikation von
Trostpflaster, dass es sich bei Anne Hertz um das Pseudonym der Schwestern und
Wahlhamburgerinnen Frauke Scheunemann und Wiebke Lorenz handelt. Die beiden
kamen 1969 bzw. 1972 in Düsseldorf zur Welt und sind Journalistinnen. Die eine
studierte Jura, die andere Anglistik. Die eine ist verheiratet, die andere
nicht. Sie arbeiten nicht nur zusammen, sondern leben auch im selben Haus. Dass
dies bekannt wurde, lag (wie man der Homepage entnehmen kann) daran, dass
"Anne Hertz" nach ihren Bucherfolgen immer mehr Interviewanfragen
bekam und sie es irgendwann satt hatten, so zu tun, als ob sich dahinter eben
nur eine Person verbirgt. Neben den vier vorgenannten sind noch drei Romane des
Autorinnenduos bei Knaur erschienen. Zwischen Goldstück und Wunschkonzert wurde
auch der vor mir liegende Roman Sahnehäubchen im Januar 2011 ins
Verlagsprogramm aufgenommen. Für 2013 sind weitere angekündigt.
Knaur hat Sahnehäubchen im Genre Romantik und Leidenschaft, Humor und Charme
angesiedelt. Es soll laut Inhaltsangabe um eine PR-Agentin in den 30ern gehen.
Nina ist aus Überzeugung Single, selbstbewusst und erfolgreich. Sie arbeitet in
einer kleinen Agentur in Hamburg und muss sich auf Wunsch ihrer Chefin eines
Volontärs annehmen. Tom ist etwa gleich alt, von Haus aus jedoch Sohn eines
Verlegers. Besagter Verleger möchte das neue Buch des Texaners und Obermachos
Dwaine vermarkten, ein Aufreißer-Ratgeber für notleidende Männer, der
bezeichnenderweise den Titel "Ich kann sie alle haben" trägt. In dem
Zusammenhang soll Nina eine Reihe Lesungen mit dem Autor absolvieren.
Bedauerlicherweise ist der Auftrag an das Volontariat von Tom gekoppelt, den
Nina als total unsympathisch und vor allem nichtsnutzig einstuft. Außerdem kann
sie Machos wie Dwaine sowieso nicht leiden. Allerdings gelingt es beiden
Männern Nina näherzukommen und ihre Überzeugungen geraten ins Schwanken.
Keine ganz neue Grundidee also, wenn sich eine toughe Single-Powerfrau
plötzlich zwischen zwei Männern befindet. Doch im Grunde kommt es ja auf die
Umsetzung an. Leider muss ich gestehen: Umgehauen hat mich Sahnehäubchen nicht.
Zwar startet das Buch relativ lustig, doch dann plätschert es lange Zeit vor
sich hin, bevor es am Schluss noch mal etwas zu überzogen rund geht. Das auf
der Verlagsseite angegebene Genre passt grundsätzlich zur Grundidee, die
Ausführung derselben hinkt allerdings hinterher.
Das beginnt bereits mit Nina, die mich nicht überzeugen konnte. Bei ihr muss
man Selbstbewusstsein nicht zwingend mit Selbstsicherheit, Stolz oder
Durchsetzungsvermögen übersetzen, kann es aber durchaus mit den Begriffen
unzugänglich, anmaßend, zugeknöpft und überheblich versuchen. Sie offenbart
sich zickig-schnippisch, übellaunig-unzufrieden zu den Leuten gehörend, die
zum Lachen in den Keller gehen. Hertz‘ Hauptcharakter nervt einfach alles. Ihr
Blick in die Welt wirkt sehr eingeschränkt und vor allem wenig positiv.
Überzeugung im punkto Single sieht irgendwie anders aus. Die Art und Weise, mit
der sie ihre Arbeit erledigt, wirft zudem unwillkürlich die Frage auf, wie sie
sich so lange einigermaßen erfolgreich in der Branche halten konnte. Und obwohl
sie ja eine moderne Frau darstellen will/soll, würde ich sie eher als passiv
hinnehmend einstufen, die, abgesehen von ihrer Freiheit zu trinken, was sie wann
auch immer möchte, mit teils konservativen Einstellungen behaftet ist. Dass sie
sich so unsympathisch zeigt, erschwert die Vorstellung, dass sich da so etwas
wie Romantik und gar Leidenschaft anbahnen könnte. Auch der Humor geht in der
ganzen Zickigkeit Ninas geradezu unter.
Das Autorinnenduo lässt Nina die Geschichte in Ich-Form erzählen. Genau wie
alle anderen Erzählformen birgt natürlich auch diese die eine oder andere
Tücke. Logischerweise bekommt man Verhaltens- und Denkweisen ebenso wie die
Handlungen Dritter nur aus diesem Blickwinkel mit. Das erspart einerseits zwar
meist eine zu große Vorhersehbarkeit. Andererseits kann dies jedoch auch dazu
führen, dass Dritte nicht wirklich sympathisch wegkommen (wenn LeserInnen
bereits die erzählende Figur nicht sympathisch ist) und andere Charaktere zudem
unter Umständen auch nicht klar gezeichnet werden.
So empfand ich Dwaine eingangs einfach nur nervtötend. Warum er alleine durch
ein Geständnis Nina gegenüber von dieser plötzlich attraktiv und charmant
empfunden wird, konnte ich nicht ganz nachvollziehen. Auch Tom bleibt viel zu
schemenhaft. Von anderen Nebencharakteren ganz zu schweigen. Überhaupt scheinen
in Sahnehäubchen männliche Figuren weitaus mehr als ein plattes Klischee zu
erfüllen. Und auch damit fragt man sich, wie so etwas wie Romantik und
Leidenschaft aufkommen soll.
Was vom Grundgedanken her eine durchaus mehr als amüsante, romantisch
ausgebaute und spannend gestaltete Note hätte haben können, weil es ja Dwaine
(der es wohl einfach nicht lassen kann) und Tom (der ja eigentlich gar kein so
übler Kerl ist) gibt - all das ist leider zwar angesichts des flüssigen
Schreibstils lesbar, vom Aufbau her aber nicht allzu lesenswert gelungen. Es
dauert eine ganze Weile und etliche Seiten, bis Hertz-LeserInnen dann eine etwas
andere Nina kennenlernen.
Fazit
Es dauert fast die Hälfte des Buches, bis die Geschichte langsam an Fahrt
aufnimmt. Ins Ende wird dann jedoch zu viel zu schnell und zu oberflächlich
hineingepackt. Trotz durchaus witziger Sprüche fehlen spritzige Dialoge und
wirklich sympathische Figuren. Romantik? Leidenschaft? Dezent ist in diesem
Zusammenhang ein zu schwaches Wort. Der flüssige Schreibstil konnte es dann
letztlich auch nicht mehr herausreißen. Vielleicht lag es an meiner Erwartung,
einen netten, flotten Lesequickie für die Badewanne in Händen zu halten, dass
ich irgendwie enttäuscht war. Doch Sahnehäubchen konnte mich nicht überzeugen
und hat mir zu viel Durchhaltevermögen abverlangt.
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 31. Januar 2013 2013-01-31 12:33:20