Beim Stöbern auf der Verlagsseite fiel mir das rote Kleid auf dem Cover ins
Auge. Also las ich flugs die Inhaltsangabe. Demnach geht es um eine erfolgreiche
Ärztin Ella, die für ihren Beruf lebt. Ihre Mutter hat sie und ihren Vater
verlassen, was dafür sorgte, dass sie ihr Herz verschloss. Abgesehen davon ahnt
sie nicht, dass ihre Mutter ihr etwas hinterlassen hat. Ein magisches Erbe, das
zum Ausbruch kommt, als sie eines Abends beobachtet, wie ein Mann von einer
Gruppe vermummter Gestalten misshandelt wird. Ihr beherztes Eingreifen
verhindert das Schlimmste, doch als sie den verletzten Hexer Christian Havreux
berührt, durchströmt sie eine ungeahnte Macht. Auch Havreux spürt diese
bislang unentdeckten Fähigkeiten und bietet ihr prompt - nicht ganz
uneigennützig - an, sie auszubilden.
Trotz des magischen Elements spielt die Geschichte in unserer Welt, unserer
Zeit. Allerdings richtet sich die Autorin im Gegensatz zu früheren Büchern
eindeutig an ein erwachsenes Publikum. Die Elemente in der Geschichte sind
dunkel und brutal, stellenweise sehr blutig. Daneben kommen auch Liebe und
Erotik darin vor, allerdings nicht so, dass sie die Geschichte überfrachten
oder verkitschen.
Raven schreibt in einem flüssigen, unprätentiösen und leicht lesbaren Stil,
greift in spannenden Szenen auf kurze Sätze zurück. Trotz wechselnder
Perspektiven nimmt die Geschichte dennoch anfangs nur zögerlich an Tempo zu.
Oder vielleicht sollte ich schreiben, dass sie gerade wegen der wechselnden
Perspektiven nur langsam an Tempo gewinnt. Hierdurch ergibt sich nämlich eine
gewisse Vorhersehbarkeit. Hinzu kommt, dass die Haupt- und Nebencharaktere etwas
zu wenig beleuchtet werden. Wirklich unscheinbar oder gar uninteressant sind sie
jedoch nicht und beides wird zudem eindeutig durch die ansonsten dichte
Atmosphäre abgemildert.
Christian ist genauso sympathisch wie undurchschaubar. Ella genauso hilfsbereit
wie ehrgeizig. Und obwohl sie eigentlich völlig in ihrem Beruf aufgeht, schafft
Christian, was andere nicht schaffen. Er scheint einfach perfekt. Schätzt Ellas
Denkweise, respektiert sie, bringt ihr bei, ihre magischen Fähigkeiten zu
kontrollieren, die sie durchaus aus der Bahn werfen könnten. Auf geradezu
sanfte Weise wirbt er um sie. Vor dem magisch-düsteren Hintergrund wirkt die
sich anbahnende Liebesgeschichte makellos. Dieser Hintergrund ist übrigens gut
damit verwoben und beinhaltet, dass Christian eine undurchschaubare,
tödlich-böse Seite hat. Und in den Fängen der Dämonin Lyresha hängend nicht
wirklich frei entscheiden kann.
Gegen Mitte und vor allem Ende des Romans nimmt die Geschichte greifbar an Tempo
zu, ohne dass der Eindruck entsteht, dass hier schnell etwas beendet werden
musste. Hier hält auch vermehrt brutale Gewalt Einzug, es werden
Vergewaltigungen und Abartigkeiten erwähnt, ohne dass die Autorin sich in zu
exzessiven Beschreibungen verliert. Dennoch scheint das Blut förmlich aus dem
Buch herauszutropfen.
Fazit
Wer hofft, den bisherigen, dem jugendlichen Publikum geschuldeten,
romantisch-sehnsüchtigen Stil Ravens auch in Hexenfluch zu lesen, wird
enttäuscht werden. Unabhängig davon findet man darin, sowohl ganz allgemein
betrachtet wie auch direkt auf frühere Romane der Autorin bezogen, keine neue
Grundidee. Eine gute Umsetzung hebt dieses vermeintliche Manko jedoch wieder
auf. Und Raven hat die Idee trotz des eher behutsamen Einstiegs sowohl gut als
auch wieder etwas anders in einen unterhaltsam-spannenden Fantasy-Roman für
Erwachsene umgesetzt. Deshalb lohnt es sich durchaus, bei Ravens Hexenfluch
durchzuhalten.
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 30. Januar 2013 2013-01-30 15:46:31