Zunächst zum Inhalt dieses kleinen Büchleins: Ellen lebt in einer
renovierungsbedürftigen Villa im Odenwald zusammen mit ihrer Mutter und einer
ihrer beiden Töchter. Sie ist geschieden, hat eine wenig herausfordernde Stelle
im Einwohnermeldeamt und sie hat Geldsorgen. Die Villa ist in der Gegend als das
"Nonnenhaus" bekannt, weil keine der Bewohnerinnen, abgesehen von der
24 Jahre jungen Tochter Amalia, Wert auf Männerbekanntschaften legt. Rosig
sieht Ellen ihre Zukunft nicht gerade.
Da taucht plötzlich ein gut aussehender Mann auf. Ellen und Amalia sind
erschüttert, als er ihnen offenbart, Ellens Halbbruder zu sein. Damit Oma
Hildegard nicht der Schlag trifft, denn diese Tatsache würde bedeuten, dass
deren Mann, also der bereits verstorbene Opa, etwas mit einer anderen Frau
gehabt hatte, verschweigen sie ihr zunächst das Auftauchen des Fremden mit
seiner Behauptung. Ellen verweigert sich rigoros einem DNA-Test, doch deren
Tochter Amalia schickt dem neuen Onkel eine Speichelprobe in der festen
Überzeugung, ihn nach dem Test ein für alle Mal los zu sein, weil sich seine
Behauptung als unhaltbar erweist. Derweil erzählt Ellen den vier Geschwistern
von dem neuen Halbbruder. Der älteste Bruder Matthias sucht den Fremden auf.
Als beide zufällig vor einer Spiegeltür stehen, bleibt ihnen ihre Ähnlichkeit
nicht verborgen. Matthias lässt sich von den Fotos und Schriftstücken
überzeugen, dass der Fremde sein Halbbruder ist. Er willigt sofort in einen
DNA-Test ein. Doch das Ergebnis aller drei Proben ist erschreckend. Das Chaos
nimmt seinen Lauf ...
Wortgewandt, gespickt mit vielen Bildern, erzählt Ingrid Noll eine Geschichte,
die sich in einer x-beliebigen Familie so abspielen könnte. Der Leser taucht ab
in das etwas chaotisch wirkende Leben der Tunkels, die nach außen den Anschein
einer ehrbaren Familie erwecken. Doch bald wird klar, dass vieles in der Familie
tabu war und nie an- geschweige denn ausgesprochen wurde. Lange muss der Leser
allerdings warten, bis aus der Geschichte ein Krimi wird. Es wird dann auch kein
Krimi im klassischen Sinne, nach dem üblichem Strickmuster "Ermittler jagt
den Täter". Der hier geschilderte Kriminalfall wirkt viel subtiler und
überrascht am Ende umso mehr. Mit viel Spaß blättert man von einer Seite zur
nächsten und genießt zusammen mit den Figuren eine Kreuzfahrt auf dem
Mittelmeer.
Fazit
Ein sehr unterhaltsamer Roman, humorvoll und spannend, der die verschlungenen
Wege im Leben und in den Lieben einer im Hier und Heute angekommenen
Unternehmerfamilie aufzeigt.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
[Profil]
veröffentlicht am 04. November 2012 2012-11-04 14:54:30