Cugel der Schlaue - einer der seltenen Männer, die von vielen Menschen gekannt
und von noch mehr Menschen gehasst wird. Auf seine namensgebenden Irrfahrten
(die aus den beiden hier zusammengefassten Büchern "Der lachende
Magier" und "Cugel der Schlaue" bestehen) gerät Cugel, der
Streuner, Einbrecher und Schwindler auch nicht freiwillig, sondern freiwillig
gerät er eigentlich nur in die Villa (und Schatzkammer) des "Lachenden
Magiers", Iucounu, und dort bereits unfreiwillig in eine Falle. Iucounu
verspricht ihm Vergebung, sofern dieser ihm eine magische Augenschale aus einem
entfernten Land besorgt. Als kleine "Motivation" wird Cugel noch ein
Stachelparasit über die Leber implantiert und los geht es - hunderte von Meilen
entfernt von zu Hause und ohne jede Ahnung von der Gegend... Auf seiner Odyssee
nach Hause muss er dabei durch jede Menge Gefahrengebiete und reist dabei durch
verwunschene Wälder, verfluchte Wüsten, seltsame Kulturen und seltsame
Dörfer, trifft allerlei eigenartige Kreaturen und schließlich reist er sogar
durch die Zeit...
Fazit
Mein Gott, was soll man zu solch einem Buch schreiben? Wo fängt man an? Ich
fange bei der Hauptfigur an.
Ich versuche, es freundlich auszudrücken.
Cugel ist ein egoistisches Arschloch, unsymphatisch, eindimensional dargestellt,
egozentrisch und menschenverachtend, und das ist noch geschmeichelt. Nicht, dass
das an sich schlecht wäre - allerdings führt diese Charakterkonstellation
gemischt mit dem klassischen Anspruch des fast unbesiegbaren Helden dazu, dass
das gesamte Buch eine bloße Aneinanderreihung blasser Episoden bleibt, die
immer nach dem selben Schema abgehandelt werden:
Cugel reist herum, trifft Person/Gruppe/Dorf, bleibt etwas, zerstört das
komplette Leben aller Beteiligten und zieht weiter. Nur von Zeit zu Zeit wird
Cugel hereingelegt, immer von jemand, der noch skrupelloser ist als er selbst,
und auch immer dann, wenn Cugel etwas Geld hat. Das Buch ist berechenbar, denn
immer, wenn Cugel jemanden trifft, ist dieser in wenigen Seiten entweder tot
oder ein Selbstmordkandidat, wenn Cugel dabei Geld erbeutet, ist es in einigen
wenigen weiteren Seiten weg.
Der morbide Humor dabei ist teilweise gewollt, teilweise unpassend und meistens
noch nicht einmal Humor, sondern einfach nur Freude über Grausamkeit, Spott
über Unterlegene - soll das provozieren? Soll das nachdenklich stimmen? Soll es
cool sein (Zitat vom Buchrücken: "Cugel ist einer der coolsten Figuren der
Fantasyliteratur")? Ganz sicher ist Cugel nicht - glücklicherweise! - der
Archetyp für alle Streuner und Diebe des Rollenspiels, wie ebenfalls auf dem
Buchrücken versprochen, sondern einfach nur ein glücklicher Unsympath, dessen
meist unzusammenhängende Anekdoten auf den über 500 Seiten eine Langweile
verströmen, die ihresgleichen sucht. Lediglich eine Passage, die
Schiffskarawane in "Cugel der Schlaue" ist ein Lichtblick - die
Geschichte gewinnt kurzzeitig an Substanz und die Nebencharaktere gewinnen an
Tiefe (im restlichen Buch hätte man sich auch die Namen sparen können und
einfach "NC 1, dessen Leben von Cugel zerstört wird", "NC 2,
dessen Leben von Cugel zerstört wird" etc. benutzen können). Allerdings
bleibt diese Episode nur von kurzer Dauer und Vance fällt schnell in das
langweilige Episoden-Abhaken zurück, ohne das Buch dabei sichtlich aufgewertet
zu haben. Und selbst diese mit Abstand beste Episode ist schreiberisch weit
unter dem, was man von anderen (nicht nur angeblichen) Top-Autoren kennt.
Gegen Ende merkt man, dass Jack Vance irgendwo etwas davon gelesen haben muss,
dass sich Figuren in einem Roman weiterentwickeln sollten, und so wandelt sich
Cugel anhaltslos von einem rücksichtslosen Mörder in einen düsteren Rächer
für die Gerechtigkeit, gibt auf einmal Trinkgeld, anstatt den Gastgeber zu
ermorden - anscheinend, damit das kurz danach auftretende Ende, bei dem Cugel
alle Ziele erreicht, als Sieg für die Gerechtigkeit oder so irgendetwas
wahrgenommen werden soll. Wird es aber nicht.
Ich habe seit Ewigkeiten kein Buch gelesen, bei dem ich so oft darauf gelinst
habe, wie viele Seiten es noch sind. Oder, um es mit einem Zitat frei nach
Douglas Adams Roman
Das Restaurant am Ende des
Universums auszudrücken:
"Die ersten hundert Seiten waren die schlimmsten. Und die zweiten hundert
Seiten, die waren auch die schlimmsten. Die dritten hundert Seiten waren am
allerschlimmsten. Die vierten hundert Seiten haben mir überhaupt keinen Spaß
gemacht. Danach habe ich ein bisschen die Lust verloren."
Und das ist wirklich noch freundlich ausgedrückt.
Vorgeschlagen von Kristian Kühn
[Profil]
veröffentlicht am 09. September 2006 2006-09-09 20:46:07