Die Geschichte dieses ruhigen, besinnlichen Romans ist schnell erzählt. Jo hat
einen kleinen Kurzwarenladen. Hin und wieder verirren sich Kunden dorthin. Sie
hat also viel Zeit. Deshalb beginnt sie im Internet-Zeitalter einen kleinen Blog
und gibt dort Tipps zu Nadel, Faden und Stoffe. Sie erzählt aus ihrem Leben,
von ihren Kindern, von ihrem Mann, den sie trotz aller männlichen Eigenheiten
sehr liebt. Sie weiß zwar nicht warum, aber sie liebt ihn. Auch ein Flirt
schafft es nicht, sie von ihrem Mann wegzuziehen. Sie träumt davon, ihrem Mann
vielleicht einmal alle seine Wünsche erfüllen zu können: einen Porsche, eine
teure Armbanduhr, eine Kreuzfahrt. Alles solche Sachen, von denen Männer
träumen, wenn sie als kleiner Arbeiter oder Angestellter in einem großen
Konzern arbeiten, bei dem sie nie das Geld zur Verwirklichung ihre Träumen
verdienen werden. Da passiert etwas Unvorhergesehenes: Jo gewinnt in der
Lotterie 18 Millionen Euro. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf.
Der 1960 geborene Delacourt hat einen besinnlichen Roman geschrieben. Als Mann
hat er die Geschichte aus der Sicht der Protagonistin erzählt und daher eine
nüchterne, beinahe naive Sprache gefunden. Viele Sätze klingen wie belanglos
dahin geredet, lassen aber um so mehr Tiefe zu. Sicherlich trägt auch die
Übersetzerin Claudia Steinitz einen Anteil daran, wenn die schlichten Worte so
wirkungsvoll klingen, wie beispielsweise in dem Abschnitt, in welcher Jo von
ihrem Ehemann Jo erzählt: "Wir machten lange Spaziergänge auf der
Steilküste und hielten uns bei den Händen; manchmal, wenn keine Spaziergänger
da waren, drückte er mich an den Felsen und küsste mich auf den Mund, seine
freche Hand verirrte sich in meine Unterhose. Er hatte schlichte Worte, um sein
Verlangen zu beschreiben. Schinken ohne Schwarte. Ich kriege einen Ständer. Du
machst mich geil. Und an einem Abend ..." Übrigens erfährt der Leser
natürlich im Roman, warum der Ehemann von Jo ebenfalls Jo heißt.
Doch auch ein zweites Zitat soll Auskunft darüber geben, wie schön so manche
Tatsache beschrieben werden kann. Als die Protagonistin von dem Freund ihrer
Tochter erzählt und eigentlich nur aussagt, dass sie eine Nebenrolle in einem
Film spielen durfte: "Einmal war er mit uns in Bristol und zeigte mir das
Ardman Studio, wo er arbeitet; er gab der Blumenverkäuferin, an der Gromit im
Film vorbeirennt, mein Gesicht. Ein Tag so schön wie die Kindheit."
Fazit
Der Schriftsteller zeigt mit viel Feingefühl, dass Besinnlichkeit nicht
bedeutet, humorlos zu sein. Denn immer wieder platzen der Hauptfigur Worte
heraus, die dem Leser ein Lächeln auf das Gesicht zaubern.
Ein kurzer (127 Seiten), beinahe zu kurzer Roman, der den Leser an viele
Alltäglichkeiten erinnert und ihn in eine kleine Welt zieht. Ein Genuss für
jede Jahreszeit.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 18. September 2012 2012-09-18 19:09:50