Es war einmal der 20. Dezember 1812 als der erste Band der Kinder- und
Hausmärchen von Jacob und Wilhelm Grimm erschien. Dieses Datum ist für einen
Kasselener recht bekannt, gibt es nicht nur das Brüder Grimm Museum in der
Stadt, sondern haben die Brüder doch sehr viele Geschichten von Dorothea
Viehmann aufgeschrieben, die in der Knallhütte aufwuchs und später nach
Niederzwehren zog, wo sie von 1813 bis 1815 den Brüdern der
Rechtswissenschaften und Germanistikbegründern ihre Märchen erzählte.
Allerdings verstosse ich mit meinem Einleitungssatz bereits gegen einen
Grundpfeiler des Märchens. Denn Märchen sind nun einmal zeitlos, also ohne
Datum und örtlich unbestimmt, also kein Kassel, Hanau oder andere Orte, an
denen sich die Grimms aufhielten oder ihre Märchen spielten. Wer mehr über die
Grimms und ihre Bücher erfahren will, sollte das Museum im Schloss Bellevue in
Kassel besuchen.
Mit 86 Märchen ist ein Buch zustande gekommen, welches man heute durchaus als
Klassiker bezeichnen kann. Seit seinem ersten Erscheinen wurde das Buch
millionenfach nachgedruckt. Mal alle Geschichten, dann wieder nur ein paar. In
jedem Fall kennt inzwischen jedes Kind Schneewittchen, Rapunzel, den
Froschkönig und viele andere mehr. Auch Klassiker gehören erneuert und so rief
der Verlag art&words auf, 86 neue Märchen zu schreiben. Was lag also näher,
als 200 Jahre nach der Ersterscheinung des ersten Märchenbuches, ein neues Buch
herauszugeben?
Die Herausgeber wählten aus 296 eingereichten Märchen die neuen Märchen für
diesen Band aus und bieten dem Klassiker Paroli, ohne ihn zu verdammen. Ganz wie
bei den Gebrüdern Grimm wurden 86 Märchen für das neue Märchenbuch
ausgewählt. Entstanden ist eine gelungene Mischung von modernen Märchen. Sehr
viele bekannte Figuren treten auf, dazu erscheinen zahlreiche neue
Märchenfiguren, die die Abwechslung in dem Märchenbuch garantieren.
So wurden die Märchen teilweise vom Staub der Jahrhunderte befreit, aus
heutiger Sicht neu erzählt oder einfach nur abgewandelt. Die eine oder andere
Geschichte ist zu modern gehalten, in fünfzig Jahren sind sie jedoch deutlich
veraltet und somit wieder Märchen. Wie alle Märchen eignen sich die
Geschichten bestens, um abends am Bett vorgelesen zu werden. Die Frage ist
natürlich, was macht ein heutiges Märchen aus? Ist es die moderne Technik, die
sich manchmal zu sehr in den Vordergrund drängt und sich eher mit dem grausigen
Oberbegriff Urban Fantasy bezeichnen lässt, oder ist es die Lage, in der sich
die Helden und Heldinnen befinden und aus der Not eine Tugend zu machen?
Fazit
86 moderne Märchen nehmen sich natürlich der modernen Literatur als Grundlage
an, so sind viele dieser Märchen nicht mehr mit den Grundsätzen des Märchens
zu vergleichen. Viele Autoren benutzen eher Fantasy-Elemente für ihre
Erzählungen. Dies ist natürlich der Zeit geschuldet, in der sie spielen. Denn
das Es war einmal... findet sich nicht deutlich in den neuen Märchen wieder. Zu
viel ist in der heutigen Zeit, quasi heute und gestern, angesiedelt. Der
Vorstoss des Verlages und des Herausgebers Peter R. Hellinger, in der heutigen
Zeit sich dem Märchen zuzuwenden, ist ihm hoch anzurechnen. Im Rahmen des
Bücherbriefes, auf jedes Märchen einzugehen, ist sicherlich zu viel verlangt.
Doch der Verlag bietet auf seiner Internetseite die Möglichkeit, in die
Märchen hineinzulesen. Die sehr unterschiedlichen Geschichten bieten viel
Abwechslung und erhalten von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung.
Vielleicht wird es einmal heissen: Es war einmal ein Herausgeber mit Namen Peter
Hellinger, der mit seinem Verlag ein Märchenbuch herausgab...
Vorgeschlagen von erik schreiber
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veröffentlicht am 20. August 2012 2012-08-20 21:59:02