Der "Gebhardt" stellt das wichtigste Handbuch der deutschen Geschichte
dar. Da die 9. Auflage inzwischen in mehreren Bereichen nicht mehr dem
Forschungsstand entspricht, erscheint seit einigen Jahren sukzessiv die neue 10.
Auflage, dessen derzeit aktueller Band mit Michael Menzels Beitrag vorliegt.
Im Vergleich zur 9. Auflage fällt bereits die neue Aufteilung des behandelten
Zeitraums auf, mit dem sich nun auch zwei Autoren befassen. Menzels Werk stellt
dabei die erste Hälfte dar. Zunächst bietet Menzel einen sehr knappen,
informativen Überblick zu den wichtigsten Quellen und Forschungstrends. In Teil
B werden dann "Landschaften und Herrschaften" behandelt, also die
Entwicklung der Städte, "Ostkolonisation" sowie die Entwicklung der
weltlichen und geistlichen Herrschaften im Heiligen Römischen Reich.
Die Teile C und D behandeln die politische Geschichte von Rudolf von Habsburg,
der 1273 das Interregnum beendete, bis zum Ende der Regierungszeit Ludwigs des
Bayern. Die Darstellung ist, was dem Charakter eines Handbuchs entspricht, sehr
verdichtet. Manche Entwicklung, wie z. B. die nach der Kaiserkrönung Heinrichs
VII. 1312 bis zu seinem Tod 1313, hätte durchaus etwas mehr Platz verdient
gehabt. Die zentralen Entwicklungslinien werden jedoch aufgezeigt, Menzel
bezieht auch immer die aktuelle Forschung ein, die in den Anmerkungen
verzeichnet wird. Mancher Titel hätte dort zusätzlich genannt werden können,
doch das ist reine Detailkritik, die der guten Gesamtbewertung nicht im Ansatz
schadet. Menzel scheut sich bisweilen nicht vor eigenen Urteilen, beschränkt
sich im Kern aber vor allem um die Bündelung der zahlreichen
Forschungsmeinungen, was gut gelingt. Menzel betont dabei sicherlich zu Recht
den großen politischen Anteil der Reichsfürsten an der königlichen
Herrschaftsausübung in dieser Zeit. Vor allem die Kurfürsten, die sich nun
endgültig formierten, spielten dabei eine entscheidende Rolle.
Teil E befasst sich mit "Kirche und religiöses Erleben". Die
Entwicklung des Papsttums wird knapp skizziert, ebenso der wichtige Armutsstreit
im 14. Jahrhundert. Außerdem werden Mystik, Stiftungen und Wallfahrten kurz,
aber prägnant besprochen.
Teil F befasst sich mit "Geist und Kultur". Die Rolle der Ausbildung
an Dom- und Klosterschulen wird beschrieben, während die Studenten ins
europäische Ausland oder nach Italien mussten, da es im deutschen Reichsteils
bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts keine Universität gab. Auch Literatur und
Theater werden angesprochen. Leider ist dies aufgrund der Handbuchvorgabe - wie
auch oft an anderen Stellen - nur sehr knapp möglich. Umso beeindruckender ist
es, dass Menzel doch ein Panoramabild vom frühen 14. Jahrhundert entwerfen und
zugleich dem Leser die wichtigsten Informationen vermitteln kann.
Fazit
Menzel hat eine gelungene Gesamtdarstellung des späten 13. und frühen 14.
Jahrhunderts vorgelegt, in der die wichtigsten politischen, wirtschaftlichen,
sozialen und geistigen Entwicklung auf Grundlage der modernen Forschung
geschildert werden. Die Offenheit der politischen Entwicklung, wobei das
Verhältnis zwischen Königtum und den großen Häusern bzw. den Kurfürsten
immer wieder neu bestimmt werden musste, ist dabei ein wichtiger Wesenszug
dieser Zeit. Menzel ist im Rahmen der Möglichkeiten eines Handbuchs zudem eine
fast durchgehend flüssige Darstellung gelungen, was nicht selbstverständlich
ist.
Vorgeschlagen von B. Kiemerer
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veröffentlicht am 30. Juli 2012 2012-07-30 13:30:10