Jesus Neu
Ein "Verirrter" ist jener "Mischa" aus dem neuen Buch von
Peter Henisch durchaus. Ein Verirrter, der sich selbst, seine Geschichte, seine
innere Heimat sucht. Der erfüllt ist von Gottes Geist, das Ganze aber in der
Gegenwart des Jahres 2007 sich noch vergewissern, vergegenwärtigen muss. Das es
nicht nur ein Traum ist, dass die Dinge, die er innerlich sieht und spürt, die
ihm, dem Mann aus dem ehemaligen Sowjetreich, der seit 2001 deutscher
Staatsbürger ist, im "Lager" durch das Lesen eines Gideon Neuen
Testamentes erst aufgegangen sind. Der durch diese Lektüre "von Gottes
Geist" erfüllt wurde und mehr und mehr jene Ereignisse des Lebens Jesu,
von denen die Evangelien berichten, als eigene, tatsächliche und reale
Erinnerungen annimmt. Berichte der Evangelien, die jener Mischa 2007 durchaus
auch zurecht zurücken weiß. In einer Art und Weise, die anderes mitschwingen
lassen als nur Äußeres.
Jener Mischa, welcher der Protagonisten des Buches, einer freischaffenden
Literaturkritikerin, aus deren Sicht der Dinge eher zufällig begegnet. Wobei
sich das aus Mischas Seite her durchaus anders darstellt, aber das wird Barabre
erst später klar werden. In den entscheidenden Momenten des Kennenlernens aber
ist auch sie nicht ganz bei sich (bei der Menge an Alkohol, die am gemeinsamen
Abend der beiden genossen werden, sehr verständlich). Und so kann sie auch
nicht mehr ganz genau sagen, ob tatsächlich an dem nackten Mann, als sie zu ihm
ins Bett steigen will, jene Stigmata zu sehen sind, die sie erschrocken aus dem
Hotelzimmer fliehen lassen. Mischa behauptet dies durchaus. Aber ob sie das
einfach so hinnehmen kann?
Doch beschäftigen muss sie sich damit. Mischa reist nach Israel und wandelt auf
den Spuren entweder seines früheren Ichs oder seiner Traumfantasien. Vor allem
aber lässt er Barbara per Email intensiv an dieser Reise teilhaben. Eindrücke,
denen sich die fast 40jährige Frau nicht entziehen kann. Eindrücke, die in ihr
eine Entwicklung in Gang setzten. Genau jene Entwicklung, die das eigentliche
Anliegen Jesus damals und immer schon waren. Die "innere Leere" des
Menschen zu füllen und für diese Füllung natürlich erst einmal bewusst zu
machen. Insofern ist jener Mischa auf jeden Fall schon einmal nahe am Messias,
denn innere Bewegungen, die löst er ohne Druck, ohne lange Vorträge, ohne
Gebote intensiv aus. Aber ist er es tatsächlich auch in Person? Steht das
Weltende der Johannes Apokalypse an?
In einfach schöner, unaufdringlicher, fließender Sprache erzählt Henisch
seine "neue" Geschichte des Mannes aus Nazareth und legt seinen
Schwerpunkt auf das Eigentliche der alten Botschaft. Auf die Sehnsucht des
Menschen nach innerer Fülle und Sättigung, auf das Wissen, dass diese innere
Füllung nicht von außen nach innen, sondern nur im Inneren des Menschen selber
stattfinden kann. Wie auch Jesus selbst "Zeichen- und
Wundergläubigkeit" seiner Anhänger und der Menschen scharf kritisierte.
Wissend, dass durch Äußeres die Seele nicht ihre Bestimmung findet, sondern in
die Irre geleitet wird.
Die Geschichte der Evangelien aus "Innensicht", erläutert von jenem
Mischa, das Nacherleben im modernen Lebensraum durch diesen "verirrten
Messias" und der intensive Austausch mit Barbara und deren Entwicklung,
dies sind die drei Ebenen, auf denen Peter Henisch die alte Geschichte noch
einmal erzählt. Nicht mit neuen Erkenntnissen oder umwälzenden Thesen oder
skandalträchtigen "Enthüllungen". Vorsichtig nähert sich Henisch
sorgsam der "Heilsgeschichte", verlegt diese in das innere Erleben des
Menschen und erzählt ruhig von dem, was des Menschen Sehnsucht ist und wie
Jesus anbot, diese zu füllen. Angemessen sorgfältig, vorsichtig und
zurückhaltend, kann man sagen. Eine wohltuende Art, die alte Geschichte neu zu
beleben und zu erzählen, die das Heilige achtet und dennoch eigene, neue
Impulse zu setzen versteht.
Fazit
Jesus, damals wie heute aus möglichst innerer Sicht, das Anliegen Henisch ist
sprachlich wie inhaltlich wunderbar zu lesen, bringt die Fakten der Evangelien
frisch vor Augen und berührt, ohne sich aufzudrängen oder laut selbst in den
Vordergrund zu drängen
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 01. Juli 2012 2012-07-01 14:09:18