Was für ein Konstrukt! Im wahrsten Sinne des Wortes ein Buch im Buch. In dieser
Schärfe ist es selten anzutreffen. Doch was heisst das nun? Buch-in-Buch? Es
gibt zwei Handlungsstränge, die nicht einfach als Parallelhandlungen
ausgeführt sind. Eher lässt es sich so beschreiben: man liest, wie die
Protagonistin Susan ein Buch liest. Es gibt also ein inneres Buch und ein
äußeres Buch. Doch zunächst etwas mehr Klarheit und zum Inhalt des inneren
Buches.
Tony Hastings ist mit seiner Frau und Tochter auf dem Weg in den Urlaub. Sie
befinden sich nachts mit dem Auto auf einem Highway Richtung Maine, irgendwo
Richtung Bangor mitten im Wald. Wer die Bücher von Stephen King kennt, der
weiß, dass hier irgendetwas geschehen muss. Allein diese Szenerie treibt dem
Leser bereits die Gänsehaut bis in den Nacken. Sie nähern sich zwei anderen
Autos vor ihnen, die sich scheinbar ein Wettrennen liefern. Eines der beiden
Fahrzeuge lässt das andere nicht vorbeiziehen. Tony muss abbremsen und wird
ungeduldig. Er hupt kurz und das linke Fahrzeug schießt nach vorne. Tony zieht
linksrüber an dem einen Fahrzeug vorbei, welches dann zurück fällt, während
das andere weit voraus ist. Doch dann kommt Tony auch wieder an dieses Fahrzeug
heran. Als er zum Überholen ansetzt, schert es plötzlich nach links aus und
Tony muss auf die Bremse. Nun beginnt ein Spielchen, bei dem es Tony und seiner
Familie flau im Magen wird. Eine Jagd beginnt. Dann passiert, was nicht hätte
passieren dürfen. Der Wagen von Tony Hastings kommt ins Schlingern, das Lenkrad
flattert, vorne links ist ein Platten. Tony muss anhalten. Auch der andere Wagen
mit drei Männern darinnen hält an. Die Höflichkeit der Kerle ist nicht echt.
Die Hastings spüren das. Kurz und (nicht) gut: Tony wird im Verlauf der
Handlung von Frau und Tochter getrennt. In Angst um seine Familie spielt ihm
sein Gehirn eine schreckliche Vorahnung zu.
An dieser Stelle wandelt sich der "road-movie" zu einem
Psychothriller, den man getrost lesen kann, ohne die äußere Geschichte zu
lesen.
Doch nun zur äußeren Geschichte. Die Handlung ist wirklich schmal. Susan
Morrow hat ein Manuskript ihres Ex-Mannes erhalten. Er bittet sie in dem
Begleitbrief, das Manuskript zu lesen. Nicht mehr und nicht weniger. In drei
Sitzungen liest sie das Buch, zwischendurch wuseln die Kinder durch das Haus,
kommen von der Schule, gehen zu Freunden, werden ins Bett gebracht. Die
Lesesitzungen sind durch Intermezzi getrennt, in denen das Leben von Susan mit
ihrem Ex-Mann, den sie seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte, und das
Leben mit ihrem jetzigen Ehemann und dessen Geliebter beschrieben wird. Der
leser erfährt, warum sie sich nach nur zwei Jahren von ihrem Ex getrennt hatte,
die Bücher und Geschichten, die er damals schrieb, waren grottenschlecht.
Was macht das Besondere dieses Thrillers aus? Er fesselt durch die beiden
miteinander verbundenen Bücher. Obwohl man das innere Buch losgelöst von dem
äußeren lesen kann, wird gleich zu Beginn klar, und der Titel des Buches
"Tony & Susan" sagt es schon, dass ein Zusammenhang zwischen beiden
Büchern, beiden Handlungssträngen, beiden Protagonisten bestehen muss. Susan,
die Protagonistin des äußeren Buches, die von den Schreibkünsten ihres
Ex-Mannes beeindruckt ist, und Tony, der Protagonist des inneren Buches, der
einen Albtraum durchleben muss.
Fazit
Ein Thriller der aufgrund seiner Konstruktion bereits eine Extraklasse darstellt
und sehr zu empfehlen ist.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 22. Juni 2012 2012-06-22 08:30:09