Steffen Stephan kommt im Januar 1959 als Aushilfsarchivar vom Festland. An Bord
der "Rungholt" dampft er durch Sturm und Eisregen der kleinen Insel
Nordhörn entgegen, auf welcher ihm für drei Monate eine verantwortungsvolle
Aufgabe zugeteilt ist. Das Archiv der dortigen Inselgemeinde bedarf dringend
einer korrekten Überarbeitung und Neuordnung, die sein Vorgänger nicht hatte
zuende führen können, da ihn - wie Steffen später erfährt - unvorhersehbar
und dubios - der Tod ereilte. Das Wetter während der Überfahrt entspricht dem
Klima, das ihm überall auf der Insel entgegen schlägt. Er stößt auf eine
frostige Mauer des Schweigens, nahezu jeder Inselbewohner scheint einen Grund zu
haben, die Geheimnisse zu fürchten, die Steffen im Archiv aufdecken könnte.
Und wenn wirklich einmal ein knapper Satz die nordisch fest verschlossenen
Lippen passiert, so enthält er Feindseligkeit oder düstere Prophezeiungen.
Eine beängstigende Kulisse für den jungen Archivar, der eines Tages erkennen
muss, dass die Insel ein Gefängnis ist, wenn man sich auf der Flucht
befindet.
Jürgen Rath hat hier seine außerordentliche Sachkenntnis über das
Schiffahrtswesen mit eingebracht und dem Leser so problemlos vermittelt, dass
der sich in diesem Metier nicht fremd vorkam.(Wenn doch, half das Glossar!) Der
Roman allerdings, der auf dieser vorerwähnten Basis aufgebaut ist, zeigt dann
erst die ganze Vielfalt des schriftstellerischen Könnens. Die mit feiner Feder
gezeichneten Protagonisten sind dem Leser schnell vertraut, so dass er oft
glaubt, bereits diesen oder jenen Schluss ziehen zu können. Ebenso geht es mit
Ereignissen und Örtlichkeiten, deren besonderer Reiz darin liegt, dass sie in
zwei Zeitebenen spielen, wobei die eine wie ein Impulsgeber für die
Geschehnisse der zweiten wirkt. Auch der Skizze von Nordhörn hätte es
eigentlich nicht bedurft - der Leser findet sich schnell zurecht auf dem
"traulichen Eiland". In eine Vielzahl von gedanklichen Sackgassen
führt der geschickte Autor seine Lesergemeinde, bevor es endlich zur
überraschenden Enthüllung kommt.
Fazit
Dieses 266 Seiten starke Krimi-Highlight aus dem Sutton Verlag ist meiner
Meinung nach ein rundherum vergnügliches, kurzweiliges Autorendebut mit
eskalierendem Spannungsbogen und geistvollem Humor in den skurilsten Momenten,
eine wunderbare Mixtur, die sich zu Recht eine Fan-Gemeinde erobern wird und auf
höchst angenehme Weise aus der Flut der üblichen Kriminalromane herausragt.
Vorgeschlagen von brillenbaby
[Profil]
veröffentlicht am 04. Juni 2012 2012-06-04 17:12:02