Ja, das Buch ist eine Unverschämtheit - im wahrsten Sinne des Wortes. Ohne
Scham und mit viel Eloquenz und schreibt Franz-Josef Wetz über Fremdgehen,
Seitensprünge und Lügen in Beziehungen. Er schreibt über Parallelwelten und
Fantasieleben, über Sehnsüchte, welche sich in langjährigen Parterschaften
oft nicht mehr befriedigen lassen und über die Versuche, dies alles trotzdem -
trotz einer festen Parterschaft - zu erlangen. Was passiert, wenn man dem
Partner nicht sagen kann, was einem fehlt, wenn er/sie es einem nicht geben
kann?
Aber Wetz schreibt auch über die Liebe. Er beschreibt die anfängliche
wundersame Verliebtheit, welche mit den Jahren verloren geht und das erotische
Feuerwerk, welches sich mit der Zeit in ein warmes Feuer verwandet und nicht
selten verglüht. Und er schreibt von der Verbundenheit, die trotzdem bleibt.
Davon, dass das Versiegen der erotischen Anziehung nicht das Ende der Beziehung
bedeutet. Es wird klar, dass es oft die Erwartungen an die Beziehungen sind,
welche sie im Endeffekt zerberechne lassen, wenn einer der beiden Partner
sexuelle Aussenbeziehungen hat. Wann ich erwarte, dass mich mein Partner für
immer (und das sind vermutlich 60 Jahre!) in gleicher Weise sexuelle befriedigen
kann, ist das schlicht und einfach vermessen. Es ist normal, dass sich die
körperliche Anziehung verändert und mit der Zeit an erotischer Spannung
verliert. Aber schlimm ist es nicht. Wichtig ist - und das zeigt das Buch
wunderbar auf - dass man nicht zu schnell (ver)urteilt. Weder andere noch sich
selber. Es gibt viele verschiedene Arten in einer festen oder offenen Beziehung
zu leben und diese zu kennen und zu wissen, wie man selber dazu steht, bringt
eine innere Offenheit und Sicherheit mit sich, die auch eine Parterschaft nur
bereichern kann.
Fazit
Dieses Buch sollte man unbedingt gelesen haben. Es zeigt spannend und eloquent
geschrieben (und für aufmerksame LeserInnen auch in differenzierer Weise),
welche "dunklen Ecken" in jedem von uns und in allen Beziehungen
bestehen. Es gibt Anstoss sich mit den eigenen Werten und Moralvorstellungen
auseinanderzusetzen und seinen eigenen Umgang mit dem Thema Untreue zu finden.
Unverschämt ist letzten Endes nur, wenn man die Augen vor Realitäten
verschliesst und diese kategorisch moralisch verurteilt.
Vorgeschlagen von Kathleen Abel
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veröffentlicht am 20. Mai 2012 2012-05-20 14:36:30