Gaius Octavius (63 v. Chr. bis 14 n. Chr.), der Nachwelt besser bekannt als
Augustus ("der Erhabene"), war eine zwiespältige, aber auch
interessante Persönlichkeit. Augustus, Neffe Julius Caesars und erster
römischer Kaiser, begann seinen Aufstieg nach dem Tod des Onkels 44 v. Chr.,
der ihn noch adoptiert hatte. Brutal, rücksichtslos und teils unter gewaltigen
Schwierigkeiten schaltete er nach manchen Rückschlägen seine Konkurrenten um
die Macht in der untergehenden Römischen Republik aus, bis er 30 v. Chr.
Alleinherrscher war. Nach den blutigen Bürgerkriegen schuf er eine
republikanische Fassade, wonach er nur der "erste Bürger" des Staates
war, aber faktisch weiterhin die fast uneingeschränkte Kontrolle besaß, vor
allem über die Gesetzgebung und die Armee. Die Zeit des sogenannten Prinzipats
sorgte für eine neue kulturelle Blütezeit Roms und schuf einen inneren
Frieden, der bis ins 2. Jahrhundert n. Chr. andauerte. Mit der Freiheit der
Republik, die freilich nur einer privilegierten Minderheit wirklich zugestanden
hatte, war es aber vorbei, wie etwa Tacitus in seinen Geschichtswerken immer
wieder betonte.
Augustus wird in der historischen Forschung oft distanziert betrachtet. Respekt
vor seinen historischen Leistungen hat man durchaus, doch sympathisch erschien
er gerade aufgrund der Zeit seines Machtaufstiegs nicht. Jochen Bleicken, dem
wir eine umfassende moderne Augustus-Biographie verdanken, meinte sogar,
Augustus sei "der schlimmste Bluthund der Bürgerkriege" gewesen.
Damit schloss er sich weitgehend
Ronald Syme an, der Augustus als
einen kalten und kalkulierenden Machtmenschen betrachtete. Es ist eben
schwierig, zu einem ausgeglichenen Urteil zu gelangen, in dem die brutale
Machtpolitik des Kaisers beschrieben und andererseits die geschickte
innenpolitische Leistung gewürdigt wird. Schließlich gilt es nicht nur die
teils sehr parteiischen antiken Quellen, sondern auch die überaus reiche
moderne Literatur auszuwerten.
Werner Dahlheim, ein Experte für die Geschichte der römischen Kaiserzeit und
Verfasser einer hervorragenden Caesar-Biographie, bezieht in seiner
anzuzeigenden Biographie recht klar Stellung. Sein Augustusbild ist letztendlich
ein positives, denn es geht von den schwierigen zeitgenössischen Umständen
aus. Tatsächlich hat sich Augustus nicht viel anders verhalten als seine
politischen Konkurrenten, die ebenfalls nicht vor Gewalt zurückschreckten -
auch die sogenannten Republikaner um Brutus und Cicero nicht.
In gewohnter chronologischer Reihenfolge und mit griffigen Überschriften
versehen, behandelt Dahlheim das Leben des Augustus: Vom schwierigen Aufstieg
nach Caesars Tod, den verschiedenen zeitweisen Bündnissen, dem Sieg über
Marcus Antonius, der Errichtung der Prinzipatsordnung und der anschließenden
Ausgestaltung, bis zum Tod und politischen Erbe des Kaisers. Die Kapitel sind
relativ knapp gehalten, aber beinhalten doch alles Wichtige und bieten teils
interessante Einblicke, etwa zur Selbstinszenierung des Kaisers und dem
zeitgenössischen Geschichtsbild. All dies ist nicht gerade neu, aber
anschaulich und lesenswert präsentiert auf über 380 Seiten, die nie langweilig
geschrieben sind. Anmerkungen und eine knappe (aber gut gewählte)
Literaturauswahl beschließen den Band, der mit guten Karten und modernen
Abbildungen zur Rezeptionsgeschichte versehen ist.
Interessant ist der Untertitel von Dahlheims Biographie, der tatsächlich eine
Art Leitlinie ist. Augustus' Taten werden nicht beschönigt, aber in einen
geschichtlichen Kontext eingeordnet. Vor allem im Rückblick auf die Leistungen
des ersten Kaisers scheint dann doch Dahlheims grundsätzlich positive
Gesamtwertung durch. Augustus wurde bereits von Zeitgenossen besonders
gewürdigt, aber nicht nur aus politischen Notwendigkeiten heraus. Der Kaiser
erschien sogar Tacitus als derjenige, der die blutigen Bürgerkriege beendete
und dem Reich einen langen Frieden im Inneren schenkte und vom Senat den
Ehrennamen Augustus erhielt. Für die antiken Christen, die keineswegs alle
paganen (heidnischen) Kaiser positiv sahen, war er ein Friedensfürst, in dessen
Zeit Jesus geboren wurde, was viel Symbolkraft besaß. Eine gespaltene
Persönlichkeit war der Kaiser gewiss, ebenso kalt und rücksichtslos, wie
politisch versiert - und eben, auch anders als manch spätere Kaiser, ein
geschickter Herrscher.
Zäh und entschlossen stieg er auf und hinterließ dabei eine Blutspur. Am Ende
seiner Herrschaft hatte er aber auch eine politische Ordnung geschaffen, die dem
Reich fast 200 Jahre weitgehenden Frieden schenkte. Sein politisches Erbe, das
römische Kaisertum, endete im Westen erst 476, im Osten sogar erst 1453.
Dahlheim schließt seine Biographie mit den Worten: "Wenn die Dauer einer
Leistung der Maßstab für Größe ist, dann war dieser Römer ein großer
Mann." (S. 405). Dem wird man nur schwer völlig widersprechen können.