Gründliche Darstellung des Psychopathen
Wer sich auf den Untertitel des Buches verlässt, "Eine Reise zu den
Schaltstellen der Macht", der wird ein stückweit sicherlich am Ende der
Lektüre enttäuscht sein. Suggeriert wird damit ja auch eine Darstellung von
Personen und Persönlichkeiten, die "ganz oben" sitzen, durchaus
allgemein bekannt sein sollten, und die von Jon Ronson quasi
"entzaubert" oder "enttarnt" werden. Genau dies aber findet
sich so nicht im Buch, zumindest nicht, was Personen des öffentlichen Lebens
angeht, die im europäischen Raum angesiedelt wären. Gerade hier aber, folgt
man den sachlichen Erläuterungen des Buches, zeigt der ein oder andere
zumindest ehemalige "Staatenlenker" genau jene Verhaltensweisen auf,
die nach Bob Hares Liste einen Psychopathen erkennbar machen.
Dass ein David Shayler oder ein Al Dunlop an anderen Orten durchaus bekannt sind
und dass sich natürlich auch an solchen Personen (wie an anderen, die Ronson
nutzt im Buch), psychopathische Verhaltensweisen "nachweisen" lassen,
sei dahingestellt, ein rechter Wiederkennungswert stellt sich zumindest beim
deutschen Leser nicht wirklich ein. Ansonsten nutzt Ronson den roten Faden eines
(psychopathischen?) "Buchgeschenkes" an ausgewählte Wissenschaftler,
welches all dies vor ein großes Rätsel stellt, um sich hier inspiriert auf die
Suche nach dem zu machen, was ein Psychopath ist (3% der Gefängnisinsassen, 1%
der Bevölkerung an sich) und einige vermeintlich solche im persönlichen
Gespräch zu überprüfen.
Einen gewichtigen Teil des Buches nimmt dabei die Forschungsarbeit von Bob Hare
ein, der eine "20 Punkte Checkliste" erstellt hat, anhand derer der
Kundige Psychopathen identifizieren kann. Wobei es natürlich die Vielzahl der
einzelnen Merkmale ausmacht, nicht einzelne der Punkte. Oberflächlicher Charme,
übersteigertes Selbstwertgefühl, pathologisches Lügen, Mangel an Reue, Mangel
an Empathie, fehlen von langfristigen Zielen, Promiskuität und so manches mehr
finden sich erläutert im Buch wieder. Treffen nun eine bestimmte Anzahl der
verschiedenen Kennzeichen auf eine Person zu, dann findet man sich einem
Psychopathen gegenüber (und sollte an sich vorsichtig sein!).
Interessant sicherlich gerade da, wo Ronson nachweist, auch an seinen konkreten
Beispielen und Interviewpartnern, dass sich gerade hinter einer charmanten
Oberfläche und einem strahlenden Gegenüber durchaus ein Psychopath verbergen
kann, der zumindest immer nur sich selber sieht, wenn nicht sogar ein
gefährlicher Krimineller hinter der Fassade wartet.
Das Täuschungen so oft gelingen, das "Lebensbetrüger" gerade in der
ersten Zeit die andern "um den Finger wickeln", im Buch wird klarer,
warum genau das so ist, mit welchen manipulativen Mitteln solche Menschen
arbeiten und warum sie selber gar keinen Zugang zu ihrem krankhaften Verhalten
haben (Null Empathie vor allem "beschützt" Psychopathen vor Einsicht
und Reue"). Und das gibt es zuhauf auch im kleinen, nicht nur an den
schillernden Orten dieser Welt oder bei den Serienmördern.
Fazit
Ronson stellt im Buch gründlich die "innere Welt" des Psychopathen
vor, zeigt praktische Beispiele auf und gibt dem Leser so ein Brevier an die
Hand, selber nun objektiver den ein oder anderen "Täuscher" enttarnen
zu können. In weiten Teilen aber ist das Buch, trotz des oft locker ironischen
Stils, eher trocken gehalten und gibt auch in den konkreten Beispielen dem
europäischen Leser nicht unbedingt einen hohen Wiedererkennungswert an die
Hand.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 20. April 2012 2012-04-20 05:33:34