Die Mutter des elfjährigen Tammo, der seit über einhundertachtunddreißig
Tagen an Schluckauf leidet, ist allein erziehend und arbeitslos, das Geld ist
sehr knapp und er muss die Klamotten seiner großen Schwester auftragen, doch so
richtig schlimm ist das Mobbing durch seine Klassenkameraden. Über die ersten
gut hundert Seiten dieses Buches habe ich mich nur geärgert. Da wird unter den
Augen des Schuldirektors aufs heftigste gemobbt, doch der denkt nur daran, dass
sein lächerlich verkleideter Mops Gassi geführt werden muss, und auch die
anderen Erwachsenen übersehen, schweigen oder tragen ihr Puzzelteil zu Tammos
Elend bei. Diesem legt der Autor dann gar noch Stammtischparolen in den Mund wie
"Wer hat die denn zu Ärschen erzogen? Na, die Eltern!" und lässt ihn
eine eklige Racheaktion ausführen, die den Methoden seiner Peiniger in nichts
nachsteht. Auge um Auge, soll das amüsant sein?
Ich wollte das Buch also gerade wütend beiseite legen, als es bei Tammos
Familie an der Tür klingelt und ihnen ein schwarzer Brief zugestellt wird, in
dem sie um einen Botendienst gebeten werden, der sie nach Schweden führen wird.
Der Brief zerfällt nach der Lektüre zu Asche, wie auch alle folgenden
Botschaften ihres Auftraggebers, des geheimnisvollen Bogumil. Dieser hat an
alles gedacht: Mietwagen, Plätze auf der Fähre, in Restaurants reservierte
Tische, dazu Fresspakete im Kofferraum. Nichts scheint dem Zufall überlassen.
Als Feodora und ihre Kinder wegen des versiegelten Päckchens, das sie während
ihrer Reise nicht aus den Augen lassen sollen, von Gangstern verfolgt und sogar
tätlich angegriffen werden, bekommen sie immer wieder von überraschender Seite
Hilfe... und ich stelle fest, dass mir das Buch nun zu gefallen beginnt. Die
letzten zwei Drittel des Buches sind nämlich eine flott geschriebene
Verfolgungsjagd voller Geheimnisse und überraschender Wendungen. Man hat zwar
bis zum Schluss nicht kapiert, warum das Päckchen überbracht werden musste,
wer die Verfolger waren und welches Interesse sie an dem Päckchen hatten, aber
man schippert, reist und rennt freudig mit. In diesem Teil zeigt der Autor, dass
er Worte liebt und sie zu stellenweise ergreifend schönen Bildern
zusammensetzen kann, sowie einen Hang zu mehr als ungewöhnlichen Namen und
offenen Fragen hat.
Fazit
Wer also das altbackene, wenig verlockende Cover ignoriert und das erste Drittel
des Buchs hinter sich gebracht hat, kann die folgende actionreiche Handlung
genießen. Deswegen meine wichtigste offen gebliebene Frage: Warum hat niemand
das erste Drittel und den überflüssigen Schluckauf raus gestrichen?
Vorgeschlagen von Maren Partzsch
[Profil]
veröffentlicht am 12. April 2012 2012-04-12 17:48:06