Sehnsucht
Es braucht im Leben hier und da eine "spinnerte" Idee. Eine
Merkwürdigkeit, um nach vorne zu gehen, um sich auf eine Lebensreise zu machen,
um Dynamik zu spüren und sei es auch noch so unsinnig fast in den Augen der
anderen (vielleicht sogar in den eigenen), mit was man da seine Sehnsucht
füllt. Insofern könnten die beiden Protagonisten des Debütromans von Marc
Deckert durchaus zunächst als zwei Seiten einer Person wirken, von denen die
eine die andere dann kraftvoll mitreißt, mitten in das Leben hinein. Zunächst
im tiefsten Bayern in Landsberg am Lech.
Hier lebt Phillip. Ein wenig ab von der Welt (auch innerlich), aber doch
einigermaßen in ruhigen Bahnen, auch wenn man nicht gerade behaupten kann, dass
er in seinem Leben schon so richtig angekommen ist. Seine Kunst besteht
allerdings durchaus (zunächst) darin, sich mit dem, was ist und wie es ist
einfach zufrieden zu geben. Für größre Veränderungen, den
"großen" Wurf oder einfach neue Wege fehlt ihm auch oft die
Entschlossenheit. Ein Sinnbild für die ängstliche, auf das Gewohnte, weil
Sichere bedachte Seite, die jeder Mensch auch in sich trägt. Phiilip, aus
dessen Sicht in der Ich Form die Geschichte erzählt wird und der sagt:
"Einer der Hauptgründe, warum ich immer noch hier war, war natürlich
reine Bequemlichkeit".
Und daneben Tom. Den Phillip zufällig in einer Sternwarte kennenlernt. Den
leidenschaftlich Besessenen. Den Abenteurer. Der einen Kometen neu entdecken
will, sich der Astronomie verschrieben hat. Und dafür braucht es Dunkelheit,
möglichst tiefe Dunkelheit, um die Sterne umso heller leuchten lassen zu
können. Tom nimmt Phillip mit auf seine Suche, seine Reise. Ein Sinnbild für
die nach außen drängende, Sinn-Suchende Seite des Menschen. So, wie Phillip
über Tom urteilt: "Du bist der ewige Sucher. Das ist Dein Ding. Und Du
bist lieber einsam, als Dich mit weniger zufrieden zu geben".
Und wenn sich beide Seiten, beide Charaktere zusammentun, dann entsteht ein
Geflecht gegenseitiger Erfahrungen und gegenseitigen Lernens. Welches im Buch
nicht schwerfällig und abstrakt im Raume steht, sondern als eine innere und
äußere Erlebnisgeschichte und eine weite Reise (von Landsberg bis nach
Kalifornien) munter, flüssig und durchaus auch emotional berührend von Marc
Deckert erzählt wird. Wobei natürlich auch die Liebe, die Frauen ein
gewichtige Rolle einnehmen werden auf dieser reisenden Suche der beiden
ungleichen jungen Männer. Ob Constanze oder Claire, auch die Dinge der Liebe
geraten für die beiden nicht auf einfache Art und Weise. Es ist eben einfacher,
das "große Ganze" zu betrachten als "die wichtigen
Einzelheiten" darin zu erkennen. Wie beim Sternehaufen, so auch im Leben.
So ist auch die Suche nach einem "neuen" Kometen ein Bild für die
Suche nach einem Ankommen, einem echten Ziel. Zweier Menschen, die, ganz anders
und jeder für sich, besser mit dem "Besondern" zurechtkommen als mit
dem "ganz normalen, alltäglichen Leben".
Es wird sich im Lauf der Geschichte herausstellen, wie viel Geduld man dafür
braucht. Wie es ebenso deutlich werden wird, dass auch ein Finden nicht
unbedingt das Ende einer Suche bedeutet. Oder dass eine Suche an sich unbedingt
notwendig wäre, um zu Finden.
Fazit
Marc Deckert hat einen sprachlich überzeugenden Roman über ein vordergründig
exotisches "Hobby" verfasst, in dem er durchaus fundiert Grundlagen
der Astronomie mit einfließen lässt. Wie er, im Hintergrund, das eigentliche
Thema vom Suchen und Finden, von Leidenschaft und Zurückhaltung in seine
Charaktere ebenso überzeugend mit einbringt. Trotz einiger Längen ein
überzeugender und lesenswerter, vielschichtiger Debütroman.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 04. April 2012 2012-04-04 13:56:54