Dunkle Morde im Dorf
Jonas Holly ist ein zugewandter, verantwortungsbewusster Mann. Ein Polizist, der
sich kümmert. Der seine Pflicht ernst nimmt. Eine Pflicht, die ihn bis in das
kleine Dorf Shipcott in England geführt hat. Der "Bobby vor Ort", der
Dorfpolizist ist er. Nicht ganz freiwillig, im übrigen, denn von seinen
Möglichkeiten her wäre durchaus mehr, Höheres möglich gewesen. Doch seine
geliebte Frau ist an MS erkrankt und ist sich ihres Körpers nicht mehr sicher.
Schübe treten auf, mehr und mehr verliert sie an schlechten Tagen die
Kontrolle. So hat es sich ergeben, dass Holly in das kleine Haus seiner Eltern
in diesen kleinen, überschaubaren Ort zurückgekehrt ist, eben um sich
bestmöglich kümmern zu können.
Und nun wird Jonas Hollys "Kümmern" hochgradig gefordert. Ein
verzweifelter Versuch, sich zu kümmern, wohlgemerkt, denn gegen die Morde, die
nach und nach im Dorf stattfinden, in dieser einfachen, klaren, überschaubaren
Umgebung, in der tatsächlich jeder jeden kennt, in der allerdings auch eine
ganze Reihe an Marotten, Fehden und Distanzen zu finden sind, gegen diese Morde
scheint Holly völlig machtlos zu sein.
Vorgeführt und degradiert zudem von der hinzutretenden
"Großstadtpolizei", gelingt es Holly trotz höchsten Einsatzes nicht,
dem Mörder wirklich auf die Spur zu kommen. Obwohl dieser nah ist. Näher, als
so mancher vermuten könnte. Zum verrückt werden für Jonas Holly, da es vor
allem als Opfer jene trifft, die seine Beschützerinstinkte am meisten
hervorrufen. Hilflose Menschen. Menschen mit Gebrechen, Aussetzern, Menschen,
die der Zuwendung durch andere dringend bedürfen. So richten sich die ersten
Verdachtsmomente auch umgehend in Richtung der Verwandten oder der
Pflegepersonen. Das Motiv könnte doch gut sein, dass der ein oder andere dieses
ständige "sich kümmern" nicht mehr erträgt. Das das eigene Leben so
angebunden ist an die Pflege eines anderen, zeitlich und / oder finanziell.
Intensiv und mittels vieler Dialoge zieht Belinda Bauer den Leser mit hinein in
diese dörfliche, kleine, wohl aber auch grausame Welt und lässt sich dabei
Zeit, ihre Figuren und Personen umfassend darzustellen. Kleine Angewohnheiten,
innere Verzweiflungen, alte Fehden, Böswilligkeiten unter Kollegen und die
Suche nach der eigenen Person, dem eigenen Platz im Leben unter teils
erschwerten Bedingungen (vor allem an der Ehefrau des Dorfpolizisten abzulesen)
sind jene Themen, die eine durchaus dichte Atmosphäre im Buch hervorrufen.
Ebenso, wie die Bedrängung in Jonas Holly selbst spürbar zu Papier gebracht
wurde. Die ständige Angst um seine Frau, die durchaus bereits versucht hat,
diesem Leben des "immer weniger Werdens" durch eigene Hand zu
entfliehen.
Doch auch Jonas selbst, das wird immer deutlicher von Seite zu Seite, trägt ein
Geheimnis in sich. Etwas, das so sehr nicht bekannt werden soll, dass es ihm
selber kaum im Bewusstsein ist, er selber diesen in sich tragenden Kampf nicht
wirklich zu fassen bekommt. Ein Kampf, der allerdings durchaus seine Bedeutung
haben wird für die Auflösung des Falles. Das aber entblättert Belinda Bauer
erst im Lauf der Zeit in Ahnungen und Rückblicke in das Leben des Jonas
Holly.
Schwächen zeigt das Buch allerdings ein stückweit hier und da in einer
Langatmigkeit. Zu breit ist so manches geschildert, zu sehr im Kleinen und
Alltäglichen verheddert sich die ein oder andere Figur des Buches. Dem
erfahrenen Leser erschließt sich zudem etwa ab er Mitte des Buches, in welche
Richtung die Auflösung des Falles zu vermuten wäre, was ein wenig die Spannung
aus diesen merkwürdigen Mordfällen herausnimmt. Dennoch aber gelingen Bauer
überraschende Wendungen, auch in Nebenfiguren und ebenso überraschende
Gefahrenmomente und Morde, wo der Leser dies kaum vermutet hätte.
Fazit
Eine andere Form des Thrillers mit einer interessanten, wenn auch nicht völlig
neuen, Grundidee der Auflösung, der seine Stärken in der ruhigen Erzählweise
und den intensiv geschilderten Figuren und dann Zwanghaftigkeiten der Abläufe
findet. Durchaus lesenwert.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 14. März 2012 2012-03-14 13:43:54