Ein politischer Blick auf die Gegenwart des Lebens
Was sich in Gestaltung des Buches und Wahl des Titels darstellt wie eine
Fortsetzung (oder ein "Trittbrett") zur "Generation Golf",
entpuppt sich bei der näheren Lektüre als ein durchweg interessantes,
natürlich aus konkreter, also auch einseitiger, Sicht geschriebenes,
politisches Buch. Eine Bestandsaufnahme einer "ganz normalen"
gebildeten Frau, die eins und eins zusammenzählt und die gesellschaftlichen,
sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen in ihrer "bewussten"
Lebenszeit (die letzten 30 Jahre) wunderbar akzentuiert darzustellen versteht.
Veränderungen, die klarstellen, dass es durchaus nicht nur subjektiv gefühlt
für viele, gerade in der Mittelschicht des Landes, "bergab geht". Das
es nicht mehr möglich ist, von einem "Mittelschichtgehalt" ein Haus
zu erbauen und eventuelle Kinder kräftig auf ihren Ausbildungswegen zu
unterstützen (nicht nur beides zugleich geht kaum mehr, sondern keins von
beiden und so manches mehr).
Und das, vorweg gesagt, in ganz hervorragender Sprache. Allein das stellt schon
eine Wohltat im Wust der mäandernden Literatur zur "Lage der Nation"
dar. Differenziert, wenig populistisch, kaum verkürzend, verständlich und
fließend im Stil, ordnet sich Kathrin Fischer in der gesamten Form bestens
ihrem Thema unter. Und dieses ist nur in zweiter Linie eine
"Generationenschilderung". In erster Linie legt Kathrin Fischer eine
Bestandsaufnahme der Entwicklung der "sozialen Marktwirtschaft" vor.
Vermag auf den Punkt den theoretischen (Keynes) und praktischen (Bismarck,
Erhardt) Rahmen des "Wohlfahrtsstaates Deutschland" zu benennen,
skizziert die sozialen und politischen Hintergründe dieses sich über 100 Jahre
entfaltenden Erfolgsmodells verständlich und legt sodann die schrittweise sich
vollziehende Abwärtsbewegung deutlich vor Augen. Ohne Hetze oder Häme
erläutert sie, wie sehr sich im Kern die Veränderung der Arbeitswelt, die mehr
und mehr höhere Bewertung von "Erfolg" statt, wie lange Zeit, der
"Leistung", auf den einzelnen Menschen und die gesamte Gesellschaft
auswirkt.
Nicht zum Guten, soviel ist sicher nach der Lektüre des Buches, das nicht den
Anspruch einer wissenschaftlichen Facharbeit erhebt, durchaus aber sich der
ausgewählter Fachleute bedient und deren Analysen mit aufnimmt. Eine
Veränderung, die tatsächlich systemisch zu begreifen ist, die eine
"große Transformation" darstellt, die man nicht einfach so geschehen
lassen darf.
Auf diesem Wege erläutert Fischer ebenso verständlich den Sinn und Zweck,
letztlich den "Segen" der Sozialversicherung, aus einer Zeit kommend,
in der allein "Eigentum" Sicherheit darstellte und nun unter Bismarck
und seinen Nachfolgern "soziales Eigentum" die Risiken des Lebens
abfederte und damit den Weg erst freimachte für einen wirtschaftlichen und
kulturellen Aufschwung. Die "Rettung des Kapitalismus durch mehr
Staat" (Keynes) die offenkundig lange Jahre gut funktioniert hat. Und die
rückbesonnen werden sollte in all den Irrungen und Wirrungen des
"enthemmten Kapitalismus" mit seinen brachialen Folgen für Staaten
und Gesellschaften.
Bevor nun aber umgesetzt wird, was der Patenonkel des Nachbarfreundes des Sohnes
der Autorin empfiehlt ("Ich würde den Leuten empfehlen, schon einmal
schießen zu lernen"), bietet Kathrin Fischer klare und handfeste
Möglichkeiten an, sich dieser Entwicklung nicht kampflos zu ergeben. Klassische
Möglichkeiten der Einmischung, der Information, der Bildung und der Entwicklung
politischer Forderungen. Die auch jüngere Geschichte des Landes zeigt, dass
Protestbewegungen durchaus in der Lage waren, zu mobilisieren und Verhältnisse
zu ändern. Was nötig sein wird. Denn auch das stimmt: "Noch nie in der
Geschichte hat irgendjemand Privilegien freiwillig hergegeben". Die fünf
Punkte der "Weltrettungsanleitung", die sollte nun aber jeder selber
im Buch nachlesen, es lohnt sich.
Fazit
"Generation Laminat" ist eine unaufgeregte, durchaus konstruktive
Bestandsaufnahme der gesellschaftlichen Gegenwart im Rahmen der jüngeren
Zeitgeschichte. Hervorragend zu lesen und differenziert in Stil und Darstellung
vermischt Fischer viel Persönliches (ihre Geschichte, ihre Ängste, ihr
Freundeskreis) mit klaren, politischen Analysen und Aussagen und bietet damit
einen wichtiger, kritischen Beitrag im Blick auf all die
"neoliberalen" und "renditeorientierten" Veränderungen, die
offenkundig die Staaten und Gemeinwesen an die Grenzen der Belastbarkeit jetzt
schon führen.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 12. März 2012 2012-03-12 13:39:05