Ein Seitensprung, das ist, wenn eine Ehe gerettet wird. Ein Seitensprung ist
sozial. Ein Seitensprung ist eine Wohltat. Ganz nach dem Buchmotto "Angst
tötet die große Liebe" schildern 20 Männer, viele verheiratet, ihre
befreienden Erfahrungen rund ums Fremdgehen. Die meisten versichern, dass
"das keine Liebe" sei, sondern - nur Sex; nach dieser fixen
Überzeugung hat einer der Protagonisten, Arvid, seinen Bericht betitelt, wobei,
schreibt Arvid, "Sex doch das ganze Leben" ausmache; und die Liebe?
Bei Arvid "war das schon immer so, dass er nicht treu war", und er
verheimlicht seine Untreue ("Sie ahnt nichts. Ich spiele den
Saubermann."), denn "für meine Frau würde eine Welt zusammenbrechen,
wenn sie das erfahren würde". Arvid ist auch einer, der seine Liebhaberin
die Pille nehmen lässt, denn er ist "kein Kondomfreund". Er
"bumst auch generell keine Frauen von Freunden und Bekannten", bis
auf-, und "findet auch nichts Schlimmes an seinem Verhältnis", außer
seine Frau würde-, und er findet jederzeit "jemand neuen, wenn das (…die
Auslebung sexueller Bedürfnisse) nicht klappt", und wenn es seine Frau
wäre-. Georg sagt, dass "Frauen Romantik mögen" und auch mal
"durchaus richtig gefickt werden wollen"; ihren Liebesschwüren sei
nicht zu trauen, "alles ist endlich" (und falls nicht, beendet es
Georg) und "einen zu kleinen Schwanz" möchte keine. Und auch Georg
sagt, "wenn man mit einem Partner länger zusammen ist (…), ist es
zwangsläufig natürlich so, dass Spannung nachlässt, dass Unverhofftes nicht
mehr passiert. In bekannten Gefilden überrascht man sich nicht."; Folge:
man holt sich seinen Sex, d. h. seine Liebe, woanders. Norbert ist ehrlich,
Norbert war die erste Hälfte seiner Ehe seiner Gattin treu, die zweite Hälfte
füllt er aus mit einer Affäre, die zu mehr und mehr wird, die schließlich
Liebe heißt. Da Frauen "zarter besaitet" sind als Männer, kommt
Norberts Liebhaberin, selber verheiratet, irgendwann zu ihm, und klopft an um
eine feste Beziehung; Norbert "versucht zu klären: `Schatz, der Alltag
käme auch bei uns irgendwann`"; sprach der Gatte zur Gattin. So
authentisch das beschrieben wird, so erbärmlich ist es. Norberts Ehe läuft
weiter, sie wird sicher noch Jahre laufen, aber die Liebe, der Sex, das Gefühl
ist weg. Alles, was prickelnd und erfrischend ist, läuft außerhalb der
Partnerschaft ab: Fazit Norberts. Und wozu dann Beziehung? "Das Verhältnis
von Diana und mir lebt auch vom Geheimnis, von einer Spannung, die man nie
aufgelöst haben möchte.". Die Ehe als Hafen für das schönste Schiff,
oder so. Aber wozu Beziehung? "Einen Entscheidungspunkt fürchte ich wie
der Teufel das Weihwasser" - - Norbert, der wilde Liebhaber. Martin Rellin
hat authentisch, nachvollziehbar, ohne moralisierenden Schmuck geschrieben.
Lediglich die teilweise gewollte Bosheit stört, z. B. Alex beim gemeinsamen
"Jahr-2000-Fick": "schön, was man auf einem Trip-Trap-Stuhl für
Kinder so alles machen kann", heißt es da mehr eklig als lustvoll. Nach
der Lektüre kam mir auch der Titel komisch vor; treffender wäre "Wir sind
die neuen Ehemänner", denn die meisten "Liebhaber" haben ihre
Frau gar nicht lieb und leben ihr "wirkliches Leben" mit der Zweiten.
Der streckenweise bekenntnishafte Ton ließ sich nicht vermeiden, belastet
trotzdem. Für heikel halte ich den heimlichen Aufruf "Seid untreu und ihr
seid frei!", aber das wird jeder, Leser und Leserin für sich entscheiden.
Fazit
Die Zielgruppe. Für wen ist dieses Buch geschrieben? Für Frauen und Männer,
die damit liebäugeln, fremd zu gehen? Oder Frauen und Männer, die einmal
betrogen wurden, und nun erfahren, wie raffiniert sie überstiegen wurden? Oder
Martina Rellins Fans? Oder für den Mann, der nachempfinden möchte, wie das
war, in seiner Jugend? Oder sogar für die Frau, die sich nach einer festen
Beziehung sehnt, getreu dem "alles ist endlich"? Quintessenz: keine.
Vorgeschlagen von Paul Niemeyer
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veröffentlicht am 15. Oktober 2003 2003-10-15 19:21:05