Spiritualität der Klänge
Was hat der Bau eines Instrumentes mit dem Leben selbst zu tun? Die Antwort gibt
Martin Schleske, Meistergeigenbauer auf knapp 340 Seiten in einer Art und Weise,
die tatsächlich durchaus an den klang einer guten Geige erinnert.
Keine theoretische Abhandlung legt er vor, keine abstrakten Gedankengebilde
philosophischer Prägung, sondern Gleichnisse setzt er sich zum Ziel. So, wie
der Jesus der Bibel seine Botschaft oft und oft in Gleichnissen erzählt hat, so
wendet sich auch Martin Schleske der Innerlichkeit des Mensch in höchst
spiritueller Weise auf dem Weg der Gleichnisse zu. In einem, das bereits vorweg
erwähnt, hochwertig gestalteten Buch, mit sprachlicher Kraft und einigen,
wohlgesetzten, nicht überbordenden Fotografien von Donata Wenders, die die
inhaltlichen Klänge noch einmal anders vertiefen.
Der intellektuelle Ausgangspunkt seiner Spurensuche des inneren Klanges Gottes
in dieser Welt und im Menschen ist die Erkenntnis Friedrich Hundertwassers, dass
es kaum mehr möglich ist, Gleichnisse zum Leben zu schaffen und damit eine
intensive und meditative Form der Sprache des Glaubens droht, verloren zu gehen.
Gleichnisse zum Leben zu schaffen bedeutet aber nichts anderes, als den Dingen
und Ereignissen des Lebens eine Deutung zu geben, die durch hinhören und
hinsehen sich langsam und innerlich erst erschließt.
Der erfahrungsorientierte Ausgangspunkt seiner, in wunderbarer sprachlicher Form
niedergeschriebener, Gedanken sind jene Momente seiner eigentlichen Tätigkeit,
des Geigenbaus, die er selbst "heilig" nennt, Momente des
Zusammenfließens vielfache Strömungen des Lebens, Offenbarungen über den Kern
des Schaffens und Seins.
So beginnt Schleske sein "Glaubensbuch" einer religiösen
Erfahrungsdimension, die weitab von Ritualen oder intellektuellen
Verständnissen sich bewegt. Rein äußerlich nutzt Schleske hierbei die
Beschreibung des Baus einer Geige in den vielen, vielen kleinen und einzelnen
Schritten, von der Idee, der Auswahl des Holzes, der genauen Prüfung des
Materiales hin zum ersten Handgriff und, nach langer Zeit und vielen weiteren,
kleinen Schritten, endend mit dem reinen Klang der fertigen Geige. Jeden dieser
Schritte transzendiert Schleske und legt ihn aus als Gleichnis selbst für eine
Dimension hinter den Äußerlichkeiten des Handwerkes, die nicht wirklich
rational beschreibbar, in der gewählten Erzählform und der beständig
erlebbaren, persönlichen Nähe des Autors mitschwingt und vielfach eigene
Assoziationen und Erkenntnismomente freisetzt. Das also, was im besten Sinne ein
Gleichnis erwirken will.
Wenn er den Klang der Geige näher beleuchtet, vom äußeren, technischen Aspekt
hineinführt in die Ausarbeitung der Klangmöglichkeiten, zugleich die
Gefährdungen der späteren Harmonie des Klanges benennt und das Ganze als
Gleichnis für die Balance, die mögliche und angelegte Harmonie und das
Zusammenspiel der seelischen Möglichkeiten des Menschen auslegt, dann schwingen
hier durchaus fühlbar die gestalterischen "heiligen" Kräfte des
Lebens, in Schleskes Verständnis Gott selbst, mit. Wie die Energien im
Wechselspiel die Schwingungen und damit den Schall hervorrufen und wie dies
austariert sein muss für einen wirklichen Eigenklang des Instruments, das ist
wirklich ein hervorragend gewähltes Bild für eine seelische Balance und die
tief reichenden Energien des inneren Lebens. Energien, die er im folgenden in
seinem ruhigen Fluss der Sprache als sieben Resonanzen benennt und weiter
ausführt.
Ebenso geht er im späteren Verlauf des Buches der Wölbung und Faserung des
Geigenholzes nach und stellt dies als Gleichnis gegen jede Form zwanghafter
Lebensführung und zwanghaften Glaubens in den Raum.
Dies sind nur zwei Momente aus den 14 einzelnen Schritten, die Schleske
nacheinander vorstellt und spirituell vertieft.
Fazit
Martin Schleske ist ein ganz wunderbar anderes Buch gelungen. Dem freien Fluss
des Lebens folgend und ihn freisetzend, nicht in Schablonen sperrend. Mit
Gleichnissen und nicht mit steilen Regeln, offen spirituell suchend und nicht
dogmatisch religiös festgelegt. Voller Ehrfurcht für die Schönheit des Lebens
und nicht kühl rational. Zudem ist Martin Schleske nicht nur ein hervorragender
Geigenbauer, sondern auch ein begnadeter Erzähler, der allein schon sprachlich
das Lesen des Buches zu einem Erlebnis macht.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 25. Januar 2011 2011-01-25 13:45:24