Eine sozial-kulturelle Zeitreise mit Zukunftsausblick
Gerhard Henkel, Professor für Humangeographie, legt mit diesem Werk in seiner
Mischung aus hochwertigen Fotografien und fundiert erläuternden Texten einen
interessanten, durchaus auch intensiven Blick auf "das Dorf" in
Deutschland vor. "Landleben gestern und heute", der Untertitel gibt
dabei die thematische Gliederung vor, die allerdings letztendlich den
Schwerpunkt in überwiegender Form auf die Darstellung des "modernen
Dorfes" legt, das sich in etwa seit 1800 bis in die Gegenwart hinein
entwickelt.
So ist der alt-historische Teil zu Beginn des Buches recht knapp gehalten, auf
wenigen Seiten skizziert Henkel die Vorgeschichte des modernen Dorfes vom
Mittelalter bis 1800, um dann, daran anschließend, einen zweiten historischen
Exkurs mit einer genauen Betrachtung des "Status quo" von 1800 folgen
zu lassen, Ausgangspunkt der weiteren, ausführlichen Darstellungen im Buch.
Hierbei ist eine der grundlegenden Ergebnisse der Betrachtung, dass eine
besondere Enge und ein besonderes Angewiesen sein auf die innerdörfliche
Gemeinschaft sich gerade in dieser Zeit der Großgrundbesitzer stark ausprägte.
Es gab es kaum Alternativen für die Dörfler, man saß "im gleichen
Boot", eine äußerst förderndes Element des Zusammenhaltes im Wissen um
ein starkes "Aufeinander angewiesen" sein.
In zwei großen Themenbereichen, "Wirtschaft und Versorgung" und
"Bevölkerung - Soziales - Kultur" geht Henkel sodann im Weiteren
fundiert und detailliert dem "Leben im Dorf" im Ablauf der letzten
zwei Jahrhunderte nach. Vollzieht die Entwicklung der immer weiter nachlassenden
Landwirtschaft ebenso nach, wie das "Sterben des Dorfladens", somit
die nachlassende Infrastruktur, zeichnet moderne Wege hin zu einer mehr und mehr
funktionalen Landwirtschaft nach und zeigt auch die "Überwindung des
hölzernen Zeitalters" hin zu einer nachhaltigen Forstwirtschaft auf.
Durchaus mit Bedauern liest man von der wirtschaftlichen Verarmung vieler
Dörfer. Ob die touristische Entwicklung ähnlich tragfähig sein wird, wie das
traditionelle (und zu Zeiten hochgeachtete) dörfliche Handwerk, darf in der
Breite bezweifelt werden. Andererseits aber, hier zeigen sich wiederum Chancen,
kann das Dorf auch ein "Zufluchtsort" gerade für den modernen
Menschen sein (auch wenn die Entwicklung der Immobilienpreise eine klare Sprache
zugunsten der Metropolen des Landes spricht). Recht verstanden, so legt es
Henkel durchaus auch aus, benötigt eine Zufriedenheit des Menschen durchaus
eine auch räumliche Identifikation, welche "auf dem Dorf" deutlich
eher zu finden ist als in Ballungsgebieten mit ihrer oft auch anonymen
Lebensführung. So wundert es nicht, dass die Zufriedenheit der Bewohner mit
ihrer räumlichen Umgebung auf dem Land deutlich höher ist als in der Stadt,
trotz deutlicher und sich noch steigernder Nachteile in der Infrastruktur.
Natürlich ist nicht alles Gold was glänzt und Henkel nicht auf einem Auge
blind. Auch die Nachteile enger Gemeinschaften, starrer Formen und ausufernder
Sozialkontrolle benennt er im Lauf seiner Betrachtungen und Darstellungen.
Dennoch spürt man dem Autor seine Begeisterung für "das Dorf" im
gesamten Buch über ab und kann so auch ohne weiteres seinem abschließendem
Plädoyer für eine höhere Selbstbestimmung der dörflichen Gemeinschaften
folgen.
Fazit
Gerhard Henkel lässt den Leser an seiner durchaus kritischen Begeisterung für
das Dorf und das Landleben in Deutschland teilnehmen, gibt einen differenzierten
und breiten Blick auf die Entwicklung von Dorf und Dorfleben seit dem
Mittelalter, zeichnet Probleme, aber auch Möglichkeiten des modernen Landlebens
auf und lässt den Leser somit eindeutig vielfach informierter (und in Teilen
interessierter) zurück als vor der Lektüre. Dies alles fundiert recherchiert
und anregend in der Form dargeboten.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 28. Februar 2012 2012-02-28 13:46:56