Die junge Ehefrau und Mutter Ylva wird auf dem Heimweg von der Arbeit entführt.
Das Besondere: Sie kennt ihre Entführer aus ihrer Vergangenheit und einem
Erlebnis, dass sie für immer verdrängen wollte. Die Entführer verfrachten
Ylva in einen schallldicht isolierten Keller, wo sie immer wieder missbraucht
und gedemütigt wird. Der Keller liegt nur wenige Meter von ihrem Zuhause
entfernt. Über einen Bildschirm, den ihre Entführer in dem Kellerverlies
angebracht haben, kann sie verfolgen, was dort vor sich geht. Sie sieht ihren
Mann Mike und ihre Tochter Senna und muss miterleben, wie sich das Leben in den
Monaten nach ihrem Verschwinden langsam wieder der Normalität zuwendet.
"Entführt" ist das vielbeachtete und hochspannende Debüt des
schwedischen Autors Hans Koppel. Ein Debüt, dass sich auf Anhieb in 10 Länder
verkaufte. Zu Recht: Der Roman ist hochspannend und nimmt den Leser von der
ersten Seite an gefangen. Sehr geschickt lässt Hans Koppel die Welt von Ylvas
Ehemann aus den Fugen geraten. Hinzu kommt, dass der Roman seine Spannung unter
anderem aus der Frage bezieht, was Ylva damals verbrochen hat, um eine solche
Strafe zu rechtfertigen.
Hier liegt dann auch der Knackpunkt des Romans, der eine Höchstbewertung
verhindert hat. Alle Figuren sind sehr oberflächlich gezeichnet, da das
Hauptaugenmerk auf der Handlung und der Spannung liegt. Das ist im Prinzip auch
okay, doch wäre es schon sehr schön gewesen, wenn die Figuren etwas mehr Tiefe
bekommen hätten. Hinter das Geheimnis kommen erfahrene Thrillerleser doch sehr
schnell. Hat man eine Ahnung ist man natürlich auf die Auflösung und das Ende
sehr gespannt. Und hier hat Hans Koppel aus meiner Sicht leider versagt. Der
Schluss ist eher nach dem Prinzip aus und vorbei geschrieben worden. Hier wäre
es schön gewesen, wenn man noch ein paar Seiten mehr bekommen hätte.
Rückblickend kommen dem Leser dann auch ein paar Logikzweifel. Warum haben die
Entführer so lange mit ihrer Rache gewartet? Warum ist Mike ausgerechnet bei
einem der Entführer in Behandlung? Hier stellen sich nach der Lektüre ein paar
Fragen, auf die man rückblickend keine befriedigende Antwort bekommt.
Darüber hinaus kann man darüber streiten, ob gerade der mehrfache Missbrauch
von Ylva immer wieder so detailliert geschildert werden muss. Doch gerade neue
Thrillerautoren wie Luc Deflo oder Cody Mcfadyen legen in ihren Romanen sehr
viel Wert auf genaue Gewaltbeschreibungen. Hier kann weniger manchmal auch mehr
sein.
Nicht abstreiten kann man, dass Hans Koppel ein Gespür für packende
Geschichten hat. Gut 300 der insgesamt 350 Seiten unterhalten Thrillerfans aufs
Allerbeste. Mit Hans Koppel kann durchaus ein neuer Stern am nordischen
Thrillerhimmel aufgehen.
Fazit
Fans von Cody Mcfadyen kommen bei "Entführt" voll auf ihre Kosten.
Ein spannender, sehr gewaltvoller Thriller über einen eiskalten Racheplan. Wer
einen echten Pageturner für ein paar spannende Lesestunden sucht macht mit
diesem Thriller, trotz des nicht so guten Endes, nichts falsch!
Vorgeschlagen von Michael Krause
[Profil]
veröffentlicht am 26. Februar 2012 2012-02-26 15:00:23