Kann es eine Moral in der Globalisierung geben?
Mit Grund, das erhebt Klaus E. Müller zu Recht im Vorwart, stehen Moralfragen
derzeit (und nicht erst seit gestern) hoch im Kurs. Angesichts dessen, was
allgemein als "Gier" benannt wird (auf allen Seiten der Medaillen )
und mit welchen Folgen diese für das soziale Gefüge und die Wirtschaft der
Welt scheinbar vorrangiges Handlungsmotiv der Akteure ist, stellt sich umgehend
die Frage der Moral. Vom Investmentbanker, Hedgefondmanager, über den
Bundespräsidenten und die Regierungen bis hin zum einfachen Bürger scheinen in
einer sich ständig weiter vernetzenden "Mosaikwelt" überkommende
Moralvorstellungen rasant an Bedeutung (und Wert) zu verlieren.
Speziell den Fragen der "Alltagsmoral" im Rahmen einer globalisierten
Welt wendet sich Klaus E. Müller mit seinem Werk zu. Fragen, aus denen sich das
"große Ganze", wie Müller im buch mit darlegt, durchaus mit ergibt.
Denn, auch das stellt Müller bereits in der Einleitung fest, "Moral"
ist ein tief verwurzeltes Element im menschlichen Miteinander. "Es ist kaum
möglich, eine Aussage zu machen, die nicht zumindest beiläufige moralische
Bedeutung besitzt". Eine Kategorie, die konkret immer als
"Sittlichkeit einer bestimmte, je der eigenen, Gesellschaft
begriffen". Hier offenbart Müller die Wurzeln des "Wankens der
Moral" angesichts des "Gorgonenantlitzes der Globalisierung".
Denn wie die Welt informell und in den Reisezeiten zusammenwächst, in der Form,
wie sich Wirtschaften über den ganzen Erdball vernetzen, in gleicher Form
prallen naturgemäß vielfältige je konkrete und "je für die eigene"
Gesellschaft entstandene Moralvorstellungen aufeinander.
Anhand von Oberkategorien wie "Herrenmoral", "Samaritermoral!,
"Der Balken im eigenen Auge", der "Wertekanon" und anderen
entfaltet Müller im Buch nun seine Betrachtung der Moral, vom Kleinen zum
Großen und arbeitet zum Schluss des Buches drei wichtige Momente heraus, die
nicht nur für eine abstrakte, intellektuelle Diskussion von Bedeutung sind,
sondern mit denen sich jeder Leser ganz praktisch auseinander zu setzen
hätte.
Auf der Basis eines sehr differenzierten, verständlich dargestellten, vor allem
inhaltlich einsichtigen Wertekanons (dessen mit entscheidende Komponente die
Transzendierung der reinen "Sympathie und Antipathie" ist, somit
Vorstellungen zum Tragen bringt, die für eine Gruppe, eine Gemeinschaft (auch
größeren Umfangs) hilfreich oder schädlich sind), erarbeitet Müller im Buch
im Folgenden zunächst "die Konstanten der Moral" von einfachen bis
hin zu komplexen Gesellschaften und Vorstellungen, bildet diese Konstanten
kritisch auf dem "Problem der Globalisierung" ab. Ein Problem, das
unter anderem in einer zunehmenden "Anonymisierung" der "breiten
Masse" zueinander verortet werden kann und somit die Identitätsverbindung
der Moral (mithin die Grundlage der verbindlichen Kraft der Moral) aufs
stärkste in Frage stellt. Mit jetzt schon deutlichen, weiterhin aber noch sich
steigernden Folgen in Bezug auf eine weitere Schwächung moralischer
Maßstäbe.
Eine Chance für "die Zukunft" der Welt sieht Müller vor allem in der
Ethnologie und darin vor allem der Bewusstmachung der "Bedeutung von
Gruppen mit Gemeinschaftscharakter für den Bestand der Gesellschaft".
Mithin muss es nach Müller auch in einer globalisierten Welt die Existenzweise
in kleineren, identitätsreichen Gruppen gestärkt und unterstützt werden unter
Berücksichtigung der gemeinsamen moralischen Grundsätze als eigentliche Kraft
dieser sozialen Gruppen. Ein Umdenken, dass Müller unbedingt bereits in der
schulischen Bildung verankert sehen will, sollte dafür ein breites Bewusstsein
entstehen.
In sich schlüssig argumentiert legt Klaus E. Müller ein Plädoyer für eine
globale Gesellschaft vor, welche sich aus überschaubaren, kleineren Gruppen
(wohl oberhalb eines "Bekanntenkreise" und unterhalb von
"Nationen") mit je gemeinsamen, moralischen Grundüberzeugungen
zusammensetzt und sich auf dieser Basis auch miteinander vernetzen kann, ohne
die Identität je anderer Gruppen empfindlich in Frage zu stellen. Kooperation
statt Zentralisierung wäre als Leitbild über diese Gedanken zu setzen.
Fazit
Das Buch bildet einen durchaus ernst zu nehmender Beitrag zur aktuellen
Diskussion um Ethik und Moral in einer sich auch innerlich entgrenzenden Welt,
auch wenn es mit den Postulaten des Buches ans ich nicht getan sein wird (aber
auch dies betont Müller selbst eindringlich und macht Vorschläge für eine
praktische Umsetzung).
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 15. Februar 2012 2012-02-15 14:24:44