Die innere Last der 50er Jahrgänge
"Wie alle Eltern dieser Zeit brauchten sie ihre ganze Kraft für den
Überlebenskampf.. Außerdem waren sie der Meinung, ein Kind zu verwöhnen sei
ein kapitaler Erziehungsfehler". Denn: "in den fünfziger Jahren war
die Welt noch nicht in Ordnung".
Das ist die Ausgangssituation vieler Kinder der 50er Jahre. Kinder von
"Kriegsvätern", die Sabine Bode in den Mittelpunkt ihres neuen
Buches, fast einer Art Dokumentation mit vielen Stimmen von Zeitzeugen, rückt.
Kinder von "abwesenden" Vätern, zu denen nur ein "dünner"
Kontakt herrschte, dem Familienbild, aber auch den Notwendigkeiten jener
Nachkriegszeit geschuldet. Väter, die in ihrer Person, aber auch in ihrer
persönlichen Geschichte, dunkle Flecken hinterlassen haben und dennoch in ihrer
Art und ihrer Zeit Wirkung ausübten auf ihre Kinder. Eine oft lang anhaltende
und prägende, schwierige Wirkung.
Wie ist das mit den Vätern? Waren sie Täter, Opfer oder beides? Was steckt
hinter dem vielfachen Schweigen einer "gut getarnten Vergangenheit"?
Eine Vergangenheit, die dennoch, indirekt, zu spüren war.
"Nachkriegskinder erinnern sich, wie viele Väter und Großväter voller
Spannung steckten". Das Bild des "kettenrauchenden Mannes" ist
nur eines der Symbole für diese Spannung, ein Bild, wie es in der HB Werbung
der 60er Jahre aufgenommen wurde.
In ihren Büchern "Die vergessene Generation" und
"Nachkriegsenkel" hat sich Sabine Rode bereits intensiv
"ihrem" Thema zugewendet, konkrete Generationen in ihrer ganz eigenen
Befindlichkeit, geprägt durch die Erfahrung im Krieg mit all seinen Schrecken.
Seminare gibt sie zum Thema, Menschen wenden sich ihr zu, die betroffen sind.
Und so entstand nun dieser intensive, von vielen Interviews und Nacherzählungen
persönlicher Darstellungen getragene Blick auf jene Generation, die zwischen
Reaktion und Moderne ihren Weg zu finden hatte. Die geprägt von klaren und
autoritären Weltbildern (der Kinderreim über eine Lehrerin spricht hier im
Buch Bände: "Die Lang, die Lang, die macht die Kinder bang) sich einem
immensen Wertewechsel gerade in den 60er Jahren ausgesetzt sahen und der
drängenden Frage nach der Aufarbeitung der NS Vergangenheit, die zugleich ja
eine Aufarbeitung der eigenen "Väter-" und Familiengeschichte
zugleich in den Raum setzte.
In breiten Betrachtungen zu Themen wie "Vätertöchter" ("Bloß
keinen Mann wie meinen Vater!") oder "Söhne im Schatten", zu
"Nachkriegskinderdressur" und der Suche nach der eigenen
Familiengeschichte lässt Sabine Rode, sensibel bearbeitet, Menschen zu Wort
kommen, die ihre Geschichte erzählen, ihre Prägungen vorlegen und auch ihr
inneres Leid an den eigenen "Vätern" im Buch zu Wort kommen lassen.
Zudem, und das bleibt beim Thema nicht aus, schwingt im Buch eine ganze
Zeitgeschichte mit. Sabine Rode versteht es, Querverbindungen zu ziehen. Aus der
Prägung und der Kriegszeit der Väter die Normen und die durchaus vorhandene
Enge der Nachkriegszeit mit all ihrem Verschweigen und ihrem inneren Verdrängen
lebendig werden zu lassen.
So wird Seite für Seite spürbar, wie das Trauma der Väter (eigentlich der
Eltern, denn die Mütter waren ja ebenso geprägt durch jene Jahre) ohne
bewusstes Zutun zum eigenen Trauma werden kann (aber nicht muss). Denn
"für Trauer war keine Zeit", es musste überlebt werden.
Fazit
Sabine Rode legt mit den vielen sacht verbundenen und sensibel bearbeiteten
Aussagen von Menschen der "50er Generation" ein beachtenswertes und
emotional berührendes Zeitzeugnis vor. Sicherlich im Rahmen einer konkreten
Zeit und einer konkreten Personengruppe, die mehr und mehr doch in der
Vergangenheit liegen, aus deren Geschichte jeder aber lernen kann und damit ein
Verständnis auch für Prägungen einer ganzen Generation entwickelt. Und
öffnet damit einen Weg, gibt einen Anstoß, auch eine Art Lebenstrauer zulassen
zu können aus einer Zeit heraus, in der solchen Emotionen zu wenig Platz
gegeben wurde.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 19. November 2011 2011-11-19 13:42:33