Kaiser Friedrich I. aus dem Hause der Staufer (gest. 1190), auch bekannt als
Friedrich Barbarossa, galt lange Zeit als ein großer mittelalterlicher
Herrscher. Doch ist der Barbarossa-Mythos modernen Ursprungs. Im 19. Jahrhundert
wurde das Interesse an "Nationalhelden" geweckt, so dass unter anderem
Friedrich I. eine Rolle im neuen Nationalbewusstsein der Deutschen spielte - vor
allem als "schlafender, aber wiederkehrender Kaiser". Dieses Bild hat
auch lange Zeit die Geschichtsschreibung geprägt. Man sah in Barbarossa den
durchsetzungsstarken Kaiser, in dessen Regierungszeit das Heilige Römische
Reich eine mittelalterliche Großmacht war. Viel Schein war freilich dabei: Mit
seiner Italienpolitik ist der Staufer letztendlich weitgehend gescheitert, auch
im Kampf mit dem Papsttum musste er einlenken; in Deutschland hingegen
erstarkten weiter die Territorialfürsten.
Prof. Knut Görich darf sicherlich als einer der besten Kenner Barbarossas
bezeichnet werden. In seiner Habilitationsschrift "Die Ehre Friedrich
Barbarossas" arbeitete Görich in beeindruckender Weise einen Faktor der
Herrschaftsszeit Barbarossas heraus, der neu war: der "honor imperii",
die "Ehre des Reiches", wurde nicht (wie zuvor) juristisch, sondern
als Begriff der sogenannten "symbolischen Kommunikation" gedeutet.
Dieser Punkt spielt auch in Görichs vorliegender Barbarossa-Biographie eine
wichtige Rolle, wobei anzumerken ist, dass sich Görich der Grenzen des Mediums
der Biographie bei einer mittelalterlichen Persönlichkeit sehr bewusst ist.
Görich schildert detailliert das Leben und vor allem die Zeit Friedrich
Barbarossas: Von den Anfängen der Staufer, über die Königswahl und die
Kaiserkröngung, weiter über den Streit mit Papst Alexander III. bis zur
Sackgasse der Italienpolitik und dem Tod des Kaisers auf dem Kreuzzug.
Anschaulich und dennoch ohne wissenschaftliche Abstriche kann der Leser die
Ereignisse verfolgen, die immer wieder in den geschichtlichen Kontext
eingeordnet werden. Nicht nur die rein politische Geschichte, sondern unter
anderem auch die Mechanismen der Politik Barbarossas werden eindrucksvoll
dargelegt. Die Quellen werden immer kritisch beleuchtet und die moderne
Forschungsliteratur ist umfangreich verarbeitet worden. Der Darstellung
schließt sich ein Blick auf das Nachleben des Kaisers sowie ein
Anmerkungsapparat und eine vorzügliche Literaturliste an.
Fazit
Görichs Barbarossa-Biographie darf sicherlich als großer Wurf bezeichnet
werden. Nicht nur aufgrund des inhaltlichen Umfangs, sondern vor allem im
Hinblick auf die Methodik und der Darstellungskraft. Görich macht endgültig
Schluss mit einem zu idealisierten Bild des Kaisers, legt dessen Stärken, aber
auch dessen Schwächen offen und beschönigt die bisweilen brutale Machtpolitik
des Staufers nicht, der hart gegen die aufständischen Städte in Italien
vorging.
Die Schilderung Görichs ist sehr gut lesbar, ohne jedoch zu vereinfachen.
Manche seiner Deutungen mag man anders beurteilen (der Aspekt des
"honor" ist schließlich in der Forschung nicht unumstritten), doch
regt das Buch, das mehr ist als eine reine Lebensbeschreibung, zum Nachdenken
an. Es sei jedem historisch interessierten Leser daher wärmstens empfohlen.
Vorgeschlagen von B. Kiemerer
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veröffentlicht am 04. November 2011 2011-11-04 13:46:18