Ein Frauentorso mit Ziegenkopf, gefunden in einem Plattenbau in
Berlin-Lichtenberg, versetzt die Mordkommission in Atmen. Doch der bizarre Fund
bleibt nicht der einzige. Noch am selben Morgen macht eine Putzfrau in einem
Szene-Club eine nicht weniger grausame Entdeckung. Hauptkommissar Martin
Zollanger befürchtet eine Mordserie und scheint Recht zu behalten, als kurz
darauf ein dritter Fund getätigt wird. Doch Zollanger und seine Kollegen tappen
im Dunklen. Unterdessen sucht die junge Aktivistin Elin Hilger das Gespräch mit
Kommissar Zollanger. Elin ist überzeugt, dass ihr Bruder keinen Selbstmord
begangen hat, sondern ermordet wurde. Warum sonst sollte der IT-Spezialist ihr
ein paar Speicherkarten hinterlassen haben? Als auch noch die Tochter eines in
höchsten Berliner Finanzkreisen verkehrenden Bankiers entführt wird, muss
Zollanger handeln. Es sieht immer mehr danach aus, als wolle der Täter auf
einen gigantischen Skandal in der deutschen Hauptstadt hinweisen.
Der in Karlsruhe geborene Autor Wolfram Fleischhauer hat sich mit dem
historischen Roman "Purpurlinie" einen Namen gemacht, dem weitere
Erfolge folgten. Mit "Torso" legt er jetzt seinen ersten Thriller vor
und landet prompt einen beachtenswerten Volltreffer. Zusammen mit Kommissar
Zollanger muss der Leser durch einen Finanzsumpf in der deutschen Hauptstadt
waten, für den es in der Realität sicher einige wahre Anleihen gab.
Neben dem Berliner Bankensumpf erfährt der Leser noch einiges über
Hackerpraktiken und den Nachwirkungen der Stasi. Mit Martin Zollanger hat
Wolfram Fleischhauer eine vielschichtige und komplexe Figur geschaffen, die im
Verlauf der Handlung für einige Überraschungen gut ist. Auch der zweiten
Hauptfigur Elin Hilger hat er ungewöhnliche Eigenschaften gegeben. Die
Streetworkerin fährt grundsätzlich nicht mit dem Auto und vermeidet die
Bezahlung mit Geld. Nicht nur diese Marotten lassen sie ein wenig im Licht von
Lisbeth Salander erscheinen, wobei Elin keinesfalls eine Kopie der
Stieg-Larsson-Figur ist.
Handlungsmäßig schafft es Fleischhauer, den Leser von der ersten Seite an zu
fesseln. Auch ohne Actionszenen oder mitreißendem Tempo vermag er den Leser zu
überraschen. Dazu gehört auch die Kunst, an den richtigen Stellen einen
Cliffhanger zu setzen und die Perspektive zu wechseln. Zu keiner Zeit ist man
geneigt, das Buch zur Seite zu legen, auch wenn der Autor dem Leser einiges an
Stoff anbietet: Mordermittlungen, Entführung einer Bankierstochter,
Hackerpraktiken, Finanzskandal, die Welt der Obdachlosen. Wolfram Fleischhauer
macht viele Baustellen auf und läuft hier Gefahr, die einzelnen
Handlungselemente aus den Augen zu verlieren. Doch weit gefehlt. Am Ende kann er
noch eine Überraschung aus den Hut zaubern, die geübte Thrillerleser nicht
wirklich überraschen wird, doch die Geschichte gut abrundet. Die letzten 30
Seiten hätten dann ein wenig gerafft werden können. Hier ist der Käs
gegessen, auch wenn es noch die eine oder andere interessante Aufklärungsnote
gibt.
Fazit
"Torso" ist ein wirklich guter Thriller, der einen spannenden und
durchaus realistischen Blick hinter die Finanzgebärden der deutschen Hauptstadt
wirft.
Vorgeschlagen von Michael Krause
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veröffentlicht am 31. Oktober 2011 2011-10-31 17:15:13