Über eine schmerzliche Beziehung
Bei der Verfassung des Buches hat sich Alfred Neven DuMont, der Zeitungsmogul,
wohl eher nicht vorgestellt, dass in der nun entstandenen Familiensituation
zwischen ihm und seinem Sohn durchaus aktueller Zündstoff allein schon aus dem
Titel des Buches heraus im Raume stehen könnte. Oder doch? Wer weiß, wieweit
die Wurzeln des aktuellen Konfliktes zurückreichen und ob "Vaters
Rückkehr" tatsächlich nur ein Roman ist, oder ein Spiegel der aktuellen
Lebenssituation? Oder eher doch eine Replik auf die eigene Vaterbeziehung?
Fragen, die offen bleiben, die auch gar nicht letztendlich beantwortet werden
müssen. Denn durch diese Hintergründe, vor allem aber durch die Form und
Sprache des Romans, tritt die Geschichte ein in die mögliche Realität und
bindet sich durchaus an eine Erfahrungen vieler Leser an (nicht nur der
männlichen, auch wenn diese durchaus zuerst sich angesprochen fühlen könnten,
als Söhne und Väter).
Anders aber zunächst als die handfesten Auseinandersetzungen im wahren Leben
der DuMonts zur Zeit beginnt das Buch quasi auf der Sonnenseite des Lebens, auf
der sich Karl, ein erfolgreicher Banker, befindet. Alles läuft rund, Familie,
Beruf, Umfeld stimmig, wunderbar könnte das Leben sein und bleiben, wenn nicht
der längst für tot erachtete Vater Karls auf einmal wieder äußerst lebendig
im Raum stehen würde.
Nicht irgendein Vater ist es, mit dem sich der Ich-Erzähler des Buches nun
auseinanderzusetzen hat, sondern "der" Vater. Vital. Stark.
Übermächtig. Einnehmend im Wesen (Frau und Kinder Karls sind fast umgehend in
den Bann des "alten Herren" gezogen).
"Wie gut ist es, wieder zu Hause zu sein", jubiliert der Vater. Und
auch die Haushilfe Käthe lässt sich gerne von diesem Charmeur mit der starken
Persönlichkeit herumwirbeln und bezirzen. Mithin das gesamt Umfeld Karls wendet
sich dem Vater fraternisierend zu.
Seite für Seite fühlt sich Karl mehr und mehr an die Wand gedrückt. Alte
Erinnerungen tauchen wieder auf, Erinnerungen an eine unglückliche
Familiengeschichte, den Tod der Mutter, die innere Konkurrenz zum Vater, die
Karl in jungen Jahren nicht bestehen konnte.
Auch augenzwinkernde Geständnisse des Vaters im halbernsten Ton über seine
Zeit als "Tango-Vortänzer" und die tanzbedingte körperliche Nähe zu
seiner damaligen Tanzpartnerin (in allen Ehren natürlich, was für eine Frage!)
führen nicht zu einer Form erwachsen-freundschaftlichen Verhältnisses.
Und auch, als der alten Hans gen Ende des Buches betont, "Du hattest einen
Vater, der sich immer um Dich bemüht hat", kann Karl auch nach diesem
neuerlichen Einfall des Vaters in sein Leben nur bitter antworten "Sein
Bemühen ist nicht zu mir durchgedrungen". Höchstens das Bemühendem Sohn
immer den Rang abzulaufen. Ihn unten zu halten. Nun eben in dessen eigenen
Leben. Das Bemühen eines Vaters, der zu diesem Zeitpunkt schon wieder nicht
mehr anzutreffen ist im Leben Karls. So bleibt doch ein Stück offen, inwieweit
eine Befriedung beider innerlich tatsächlich möglich war und ob alte Wunden
wirklich heilen können, wenn die Personen sich im Wesen nicht ändern.
Und es bleibt offen, wieweit Alfred Neven DuMont bei so vielen inneren
Ähnlichkeiten in der eigenen Familiengeschichte hier wirklich nur eine Fiktion
zu Papier gebracht hat.
Fazit
"Vaters Rückkehr" ist ein Roman der inneren Auseinandersetzung und
trifft das Wesen vieler Vater-Sohn Beziehungen (nicht nur in traditionellen
Familienbildern) oft schmerzlich auf den Punkt, bietet Ansätze zu einem
Verstehen der Generationen, aber lässt auch resignierende Eindrücke mit
zurück. Lesenswert ist die Geschichte des sich "plötzlich wieder als
Kind" innerlich vorfindenden Karl auf jeden Fall.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 28. Oktober 2011 2011-10-28 14:57:23