Mitten hinein ins Herz und Leben
Hat damals der eher hässliche Cyrano de Bergerac seinem schönen Freund seine
Poesie zur Verfügung gestellt, um die Angebetete zu erobern, in die Cyrano doch
selbst verliebt war, aber ob seiner äußeren Hässlichkeit sich keine
Möglichkeiten ausrechnete, so klingt auch in diesem sprachlich feinen und
poetisch bildreichen Roman von Katherine Pancol dieses alte Thema des
"verdeckten" Erfolges mit an. Ein Anklang (ein Lob der Gestaltung des
Buches!), das sich bestens durch das Titelbild in Szene gesetzt sieht. Fast
möchte man der Frau auf dem Bild zurufen, doch endlich die Mütze nach oben zu
schieben, um überhaupt etwas sehen zu können, da werden Josephine, der
zentralen Figur des Romans, bereits die Augen geöffnet.
Als verhuschte Ehefrau, blind gegen die Realitäten des vor allem ihrer Ehe hat
sie bisher ganz beschaulich (ihrer Auffassung nach) und unscheinbar (der
Auffassung so gut wie aller anderer nach) ihr Leben als Ehefrau, Mutter zweier
Kinder und als (gering bezahlte) Historikerin gelebt. Alles kein Problem, meint
sie, wenn nicht auf einmal dieses ruhige Leben vor schweren Stürmen stehen
würde.
"Sie musste einfach weinen. Sie wusste nicht genau, weshalb. Es gab zu
viele Gründe".
Einer dieser Gründe, vor allem, ist das Zerbrechen ihrer Ehe. Lange
überfällig, eigentlich, aber wer sich Scheuklappen vor den Augen fast
zwanghaft festhält, der braucht eben längere Zeit, bis das ganze Drama sich
vor den Augen entfaltet (und braucht hierzu auch durchaus noch Hilfe von
Freunden). Nun ist er auf jeden Fall weg. Antoine, ihr Mann, mit seiner neuen
Geliebten. Weit weg, in Afrika. Und Josephine muss sehen, wie es weiter geht.
Das Leben ist teuer, die beiden pubertierenden Töchter fordern ihr Recht, das
Leben ist furchtbar, zur Zeit.
Während ihre Schwester Iris, leichtfüßig, leichtlebig und oberflächlich
(wunderbar gezeichnet durch die Autorin) ohne eigenes Zutun wieder einmal eine
große Chance erhält. Ein Verleger sagt ihr zu, mit ihr ein Buch zu gestalten.
Dumm nur, wenn solche Chancen kommen, man selber aber keine Zeile zu Papier
bringt. Gut dann, wenn die eigene Schwester von der Sache Ahnung hat und, ohne
sich selbst in den Vordergrund zu spielen, hilfreich die Seiten füllt. Und ganz
interessant wird es dann, wenn das Buch zu einem Bestseller wird und beide
Schwestern samt ihres Umfeldes nun mit der Konstellation zurecht kommen
müssen.
Natürlich freut sich Josephine zumindest darüber, dass die drückenden
finanziellen Sorgen sich zunächst lösen, aber die Konstellation selber bietet
ja genügend Ansatzpunkte für verwirrende Entwicklungen. Zudem wird auch der
ausgewanderte Antoine noch eine begierige Rolle im weiteren Verlauf spielen.
Mitsamt vieler anderer Personen aus Familie und Umfeld der beiden Schwestern
Josephine und Iris.
Was sich nun hätte entfalten können im Sinne einer Hollywood Screwball
Komödie mit vielfachen Verwechselungen, geht tatsächlich in eine andere
Richtung, die eher an den Anfangs erwähnten Cyrano erinnert. Denn trotz einiger
humorvoller Szenen lässt Katherina Pancol in ihren Roman letztlich eine
intensive Entwicklungsgeschichte zum Tragen bringen. Eine Geschichte des
Erwachsenwerdens nicht nur zumindest einer der beiden Töchter Josephines,
sondern vor allem der Josephine selber, letztlich aber aller Beteiligter in der
ein oder anderen Form. Und dies in leichter, stets fließender, bildreicher
Sprache und zutreffender Beschreibungen der Personen im Buch. Ein Lernen, dass
nicht einfach mit dem hereinbrechenden Erfolg unnötig werden würde, sondern
dort es seinen wirklichen Anfang nimmt.
"Ich muss noch viel lernen. Nach einer gewonnenen Schlacht glaubt man,
gesiegt zu haben, doch es kommen immer wieder neue Schlachten", denn:
"je weiter ich im Leben komme, desto komplizierter erscheint es mir".
Fazit
Wie schön, dass der Leser in diesem Roman einige "Schlachten des
Lebens" Josephines mitverfolgen kann und beteiligt ist an der Entwicklung
einer Frau zu einer Person, die in der Lage ist, die Kämpfe ihres Lebens ganz
grundsätzlich angehen zu können. Und dies in literarischer Qualität dem Leser
vor Augen gelegt wird.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 21. Oktober 2011 2011-10-21 14:13:23