"Und Friede auf Erden" (und im Himmel)... vielleicht?
"Hätte ich das über Mohammed geschrieben, was ich im Buch über Jesu
sage, würde ich wohl täglich Todesdrohungen bekommen. Wahrscheinlich wäre ich
längst untergetaucht", sagt John Niven im Gespräch mit dem Spiegel. Und
wahrlich, wo er recht hat, hat er recht.
Eine unglaubliche, bissige, teils zum wegwerfen komische und doch in ihren
Spitzen durchaus treffende Satire hat John Niven verfasst, die sicherlich jedem
konservativen Christen (und vor allem den Menschen des Bible Belt in Amerika)
die Zornröte ins Gesicht treiben. Nicht umsonst erwähnt er im gleichen
Interview auch die Schwierigkeiten, einen amerikanischen Verlag zur
Veröffentlichung des Buches zu finden.
Respektlos, direkt, ohne jede religiöse Scheu (und fast auch ohne religiöse
Skrupel) schreibt Niven vordergründig eine Geschichte über die Wiederkehr
Christi in unseren Tagen (weil Gott aber so was von sauer ist über die
Verhältnisse, die auf Erden herrschen, kaum macht er mal einen kleinen
Abspannurlaub (Tausend Jahre sind bei Gott eben wie ein Tag), schickt er
denselben Jesus umgehend nach New York und von da aus auf eine Reise nach Los
Angeles (mit einem ersten Erfolg um ihn herum was seine Sammlung der Junkies,
Obdachlosen, Armen und Weggeworfenen der Gesellschaft angeht). Das Jesus dabei
noch in einer Casting Show aufgehen (oder eingehen, untergehen?) wird, ergibt
sich aus dem Zustand der Welt, die Jesus vorfindet. Denn Jesus hat sich was
überlegt. Damit die Menschen nun aber wirklich einmal auf ihn hören, braucht
er ein Millionenpublikum. Fans. Ein Medium, um seine Botschaft zu transportieren
und was könnte das besser sein als eine Karriere als Rock-Sänger mit
entsprechender Message? Wenn er sich da mal nicht geschnitten hat in der
Vermarktungsmaschinerie dieser Medienwelt.
Hintergründig aber (dennoch nicht zu überlesen), zieht Niven ein fast
bitteres, zynisches Fazit der Welt unserer Tage und das ist, neben dem
unbändigen (teils allerdings auch überzogenem) Humor, was dieses Buch in
Erinnerung halten wird.
Vor allem eine Gruppe hat sich Niven als "Feindbild" auserkoren. Jene
strikt konservativen "Christen", die aus dem Evangelium der Liebe seit
eigentlich Jahrhunderten eigentlich bereits ein Buch des Regelement, der
Dogmatik, der strikt konservativen Haltung dieser Welt gegenüber machen. Mehr
also Gesellschaftskritik als Religionskritik bietet dieses Buch im eigentlichen
Sinne, versteht man gerade amerikanische Auswüchse der religiösen Bewegung
eher als Darstellung gesellschaftlicher Überzeugungen mit biblischer
"Argumentationshilfe" denn als "Nachfolger Christi" mit
gesellschaftlicher Veränderungskraft. Aber dies sind letztlich alles nur
Etiketten und persönliche Bewertungen, die John Niven ebenfalls natürlich
vornimmt und sich eben für seine Seite der Medaille entscheidet. Dies aber
konsequent.
In Teilen muss man dem Buch auch Nachsicht gegenüber darin aufbringen, wo Niven
seine Darstellung überzieht und überdreht. Nach den ersten 40, 50 Seiten
ziehen sich die Persiflagen und zynischen Seitenhiebe schon manches Mal in die
Länge. An manchen Stellen wirkt Niven wie jemand, der hier nun um jeden Preis
noch einen Witz, eine Volte, ein kleines, religiöses Schockmoment einbauen
wollte. Seine kritisierte Intoleranz bestimmter Gruppen lässt er eben beileibe
keine eigene tolerante Haltung folgen. Was bedauerlich ist. Denn jene Botschaft
der Liebe, die Gott im Buch Jesus mit auf den Weg für die Menschen gibt, lässt
Niven selbst oft in aller Deutlichkeit vermissen. Gut, dass es manchmal
durchdringt im Buch, der Ernst, zu dem Niven auch fähig ist, wenn er die
Zustände der Welt anprangert und offenlegt.
Im Kern aber greift das Buch durchaus treffend die reibende Spannung auf
zwischen den einerseits so laut und fundamental sich auf Christus berufenden
Gruppierungen gerade in Amerika (aber nicht nur da) und deren "Null
Toleranz" Haltung gegen alles und alle, die nicht in ihrem Sinne
gesellschaftskonform leben können oder leben wollen, die (vermeintlichen)
"Sünder" eben. Die gleichen Gruppierungen, die es andererseits
anscheinend auch im eigenen Umfeld nicht verhindert bekommen oder nicht
verhindern wollen, dass aus allem, auch aus dem Glauben, ein medialer Kommerz
gemacht wird und halbseidene "Fernsehprediger" hauptsächlich den
Dollar sehen wollen. Der Dollar, um den sich fast alles zu drehen scheint, auch
bei den Frommen, die Niven im Blick hat.
Eine Gruppe, auf die das Swift Zitat vom Anfang des Buches zutrifft: "Wir
wissen nicht, was sie im Himmel machen. Aber was sie nicht machen, wird uns
ausdrücklich gesagt".
Fazit
Ein intolerantes Buch gegen Intoleranz, mit teils treffendem, teils aber auch
überzogenem Humor und einer Geschichte, anhand derer Niven den Zynismus und die
Bigotterie unserer Zeit aus dem Schatten ins grelle Licht zerrt. Sicher nicht
jedermanns Geschmack, aber auf jeden Fall erst einmal ein interessantes, wenn
auch im Stil nicht immer leicht zu ertragendes, Leseerlebnis.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 17. Oktober 2011 2011-10-17 14:04:34