Die Lösung der Finanzkrise?
Vielfach sind die Stimmen, die sich im Rahmen der gegenwärtigen existentiellen
Finanzkrise zu Wort melden. Von ganz rechts bis ganz links reicht die Palette
der politischen Haltung hinter den Diskussionsbeiträgen und ebenso klar ist,
dass die vermeintlichen Antworten auf die Krise ebenso variieren wie die
grundsätzlichen politischen Startpunkte.
Zumindest aber sind die beiden Autoren, anders als viele im Kanon der Stimmen,
erkennbar vom Fach. Norbert Walter, ehemals Chefvolkswirt der Deutschen Bank und
Jörn Quitzau, Volkswirt bei der Berenberg Bank. Eine biografisch-fachliche
Kompetenz, die man den Einlassungen der beiden Autoren wohltuend im Buch
anmerkt, auch wenn, vorweg gesagt, letztgültige "Antworten auf die globale
Wirtschaftskrise" nicht im Raume stehen werden nach der Lektüre. Wohl aber
zunächst ein fundierter Einblick in die Ursachen und die Breite der Problematik
und ebenso ernstzunehmende Hinweise auf jene Bereiche des öffentlichen und
wirtschaftlichen Lebens, bei denen es anzusetzen gilt, will man der Krise Herr
werden.
Wobei die Autoren zunächst, ohne die faktischen Probleme abzuleugnen, ihr
Augenmerk auch auf die, in ihren Augen, deutlich suboptimale Kommunikation der
Verantwortungsträger reichten (ein "Armutszeugnis"). Eine
Kommunikation, die es vor allem versäumt, die Ereignisse der letzten Jahre in
einen entsprechenden historischen Kontext zu stellen. Dies holen die Autoren
ebenso eingängig nach, wie sie auf Möglichkeiten hinweisen, in der Krise
besonnen und produktiv zu reagieren. Kernthese des Buches ist dabei, dass
(entgegen der aktuellen finanzpolitischen Handlungen) nicht mehr die
Niedrigzinspolitik einen Ausweg zu bieten vermag (im Gegenteil), sondern nur
mehr eine strukturelle Korrektur (Regulierungen, die hier tatsächlich von
Bankern energisch eingefordert werden!), deren Ziel eine möglichst zeitnahen
Konsolidierung staatlicher (aber auch finanzwirtschaftlicher) Finanzen sein
muss.
Auf dem Weg der Erläuterung ihrer Einlassungen brechen die Autoren durchaus
eine Lanze für die soziale Marktwirtschaft, legen dabei den Finger aber ebenso
auch auf massive Fehlentwicklungen, welche aus der Finanzkrise eine drastische
Schuldenkrise hervorgerufen haben. Ein Netz voller gegenseitiger Verflechtungen
und auch Fehlhaltungen, welches sich in solcher Form ineinander verwirrt hat,
dass auch drastische Maßnahmen wie eine "geordnete Staatsinsolvenz"
nicht mehr ausgeschlossen werden können (auch zu diesem Vorgang legen die
Autoren eine Verfahrensweise im Buch vor).
Dennoch beharren die Autoren darauf, dass es Wege aus der Schuldenkrise gibt.
Erschwert sicherlich durch das historisch neue Element, das sich noch nie so
viele, große Industrienationen zur gleichen Zeit in Schieflage befunden haben.
Dies ist das eindringlichste und klarste Anzeichen dafür, dass eine systemische
Problematik massiv im Raume steht und nicht wirtschaftliches Fehlverhalten
einzelner Teilnehmer an der globalisierten Wirtschaft Ursache der gegenwärtigen
Probleme sind. Aber auch wenn der Korrekturprozess "in jedem Fall lang und
zäh" werden wird, Konsolidierung ist möglich. Der erste Schritt muss
hierbei in den Augen der Autoren sein, unbedingt das Vertrauen des Kapitals
wieder herzustellen. Hier sehen die Autoren Europa auf dem ansatzweise richtigen
Weg, betonen aber deutlich und klar, dass es klarer Regulierungen (und den Mut,
diese umzusetzen) bedarf, um damit das Vertrauen von Konsumenten und Investoren
in eine klare, verantwortliche und mutige politische Haltung wieder
herzustellen..
Fazit
Walter und Quitzau erläutern verständlich und nachvollziehbar die
Fehlentwicklungen der letzten Jahre und bieten in eigenen Worten
"Planken", die einen Weg aus der Krise heraus anzeigen können. Eine
Universalformel bieten die Autoren dabei genauso wenig, wie alle anderen,
zumindest aber erhält der Leser ein nüchternes Bild der aktuellen Situation,
der gewachsenen Ursachen, der historischen Einordnung und der notwendigen,
ersten Schritte, die zur Überwindung der Krise angegangen werden müssten (ob
allerdings hierzu der Mut der Politik ausreicht oder ob der Börsenfachmann
Müller recht behält, der ein "vor die Wand fahren" prognostiziert
aufgrund eben der zu großen Verflechtung von Politik und Finanzwelt, das bleibt
abzuwarten).
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 16. Oktober 2011 2011-10-16 13:11:31