Dädalus, Herkules und Co.
Die alten Geschichten um Troja und mehr noch um Odysseus künden durch die Worte
des nebulösen Homer von den Anfängen der griechischen Kultur, den Kriegen
zwischen Stämmen, den vielfältigen Bündnissen, Gegnerschaften und
Verpflichtungen, vor allem aber von den vielfältigen Seerouten der frühen
Antike und, dies nun vor allem in der Odyssee, weisen auf, wie eng die Bindung
zwischen den frühantiken griechischen Völkern und der Seefahrt, der
Entdeckungsreisen, gewesen ist.
"Reisende" waren sie allemal, Seefahrer und Piraten, Händler und
Entdecker rund um das Mittelmeer. Wieweit diese Reisenden auch
"Helden" waren, was dran ist an manchen antiken Sagengestalten, warum
Io als eine der wenigen weiblichen Heldengestalten als Kuh reist, um diesen
Fragen nachzugehen bietet sich das neue Werk von Robin Lane Fox in durchaus
guter Weise an.
In frischer Sprache ohne den Boden historischer Wissenschaft zu verlassen,
wendet sich Fox dem 8. vorchristlichen Jahrhundert zu, begleitet die euböischen
Griechen auf dem Weg ihrer Expansion, bietet durchaus auch Vermutungen, statt
nur trockenen Stoff durch Fußnoten zu belegen und entwirft so ein durchaus
lebendiges, abenteuerliches Bild der Frühantike Griechenlands, die dem die eine
oder andere bis heute bekannte Sagengestalt in ihrer Entwicklung mit dargestellt
wird.
712 und 711 vor Christus tauchen sie auf. In alten, assyrischen Texten, die
Griechen, bezeichnet als "Ionier", welche sich zu diversen Raubzügen
gegen das assyrische Reich vom Meer her kommend aufmachten. Jene Zeit, in der
bereits "mythoi" (übersetzt einfach "Erzählungen") ihre
Ausgestaltung begannen nach dem Untergang der "mykenischen
Palastgesellschaft". Diese "mythoi" sind fast die eigentliche
Errungenschaft der Griechen des 8. Jh., welche "brillierten durch Worte,
nicht durch Dinge". Worte, mündlich komponierte Gesänge und Epen, denen
Fox nachspürt und ein lebendiges Bild jener Zeit des Wandels in den Raum zu
setzen vermag. Worte vor allem Homers, die für Fox "die wichtigsten
Führer für unsere Spurensuche" sind. Natürlich nicht im wortwörtlichen
Sinne, sondern als "indirektes Zeugnis auch für die Zeit, in der diese
Dichter lebten".
Diesen indirekten Spuren nach Osten und Westen nachgehend, kommt Fox durchaus zu
der Bewertung, "reisenden Helden" auf ihren Spuren durch die Zeit zu
folgen. Entdecker, Abenteurer, durchaus auch Räuber, die den Elementen, der See
und den Feinden trotzten, neue Länder entdeckten (und weiter kamen, als manches
Mal vermutet) und vielfache Gefahren überstanden (oder auch manches Mal nicht).
Geographische Bezeichnungen und Begrifflichkeiten, Hinweise aus der Odyssee vor
allem sind es, die Fox mit aufarbeitet. "Sikania" als Ort der
Beschaffung guter Haussklaven. Ein Ort, den Fox im heutigen Sizilien anordnet.
Oder die Offenlegung bisher übersehener Hinweise auf griechische Kontakte mit
Nordafrika, zunächst mit Libyen, die in den Erzählungen um Menelaos zu finden
sind. Eine ganze Reihe von Anspielungen auf ferne Orte, deren Topographie hier
und da (wie in Südspanien) mit der Beschreibung Homers einhergehen, zeigen im
Buch die breite Ausdehnung der Fahrten der alten Griechen und lässt die
Hochachtung vor diesen "reisenden Leistungen" tatsächlich beim Leser
wachsen.
Fazit
Minutiös folgt Fox den Spuren in der antiken Dichtung, verortet mythische
Hinweise, erläutert die vielfältigen Verflechtungen und legt so ein durchaus
beredetes Zeugnis jener Zeit rein mündlicher Überlieferungen vor, dass dem
historisch interessierten durchaus vielfache Anregungen vermittelt. Allerdings
bildet das Buch keine Form der "Unterhaltungsliteratur", teilweise
geht es schon trocken zu und wird an manche Orte auch äußerst kleinteilig. Ein
dennoch zu würdigender, neuer, anderer Ansatz geschichtlicher Betrachtungen,
der nicht aus der reinen Fantasie entspringt, sondern fundiert aktuelle
Erkenntnisse der Forschung aufbereitet und ein darüber hinaus Denken enthält.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 11. Oktober 2011 2011-10-11 11:39:26