Hinter aller Ironie tief bewegend
Gut, dass Gaby Köster das Mittel der Ironie in solch überreichem Maße gegeben
ist. Dies, gepaart mit der ihr eigenen, sattsam bekannten Schlagfertigkeit und
einem immensen, trockenem Sprachwitz, macht die entscheidenden Passagen dieses
Buches in all ihrer Härte letztlich erträglich.
Denn was der lebensfrohen, aktiven, ständig unter Strom stehenden Kölnerin
passiert ist (und was mittlerweile einem breiten Publikum durch das Buch und
durch die diversen Talkshows, in denen Gaby Köster nun zu Gast ist durchaus
bekannt ist), hätte gereicht, weniger stabile Persönlichkeiten in den Abgrund
der Verzweiflung zu schleudern (in dem sich Köster, hinter den Zeilen
erkennbar, auch befand) und dort zu verweilen (was Gaby Köster nicht
vorhatte).
"Es ist gut, neue Wege zu suchen und zu gehen. Ich muss auch einen neuen
Weg finden, meine Straße des Lebens neu entdecken, gestalten und anlegen".
Auf der Überholspur der Karriere angelangt, Termine ohne Ende, dabei immer noch
bemüht, ihren Sohn bestmöglich zu versorgen (und daher so gut wie nach jedem
Auftritt, egal wie weit, noch auf dem Weg nach Hause, nach Köln) wird Gaby
Köster eines Tages gefällt wie ein Baum.
Schlaganfall. Lähmung der gesamten, linken Seite. Überdruck im Gehirn,
Abnehmen der Schädelplatte. Knapp vier Wochen im künstlichen Koma. Zunächst
ungläubig, mit dem Gefühl, dass das ja wohl alles nur ein Scherz sein kann,
muss sich Gaby Köster in der Mitte des Lebens damit auseinandersetzen, dass ihr
Hochgeschwindigkeitsweg von jetzt auf gleich abgebremst wurde und dass nun, mit
diversen körperlichen Einschränkungen versehen, dieser Weg zum einen sich als
Sackgasse erwiesen hat und zum anderen so auch gar nicht mehr weiter möglich
wäre. Sicher beweist sie zur Zeit, dass sie wieder da ist. Das sie sich nicht
versteckt mit all den körperlichen Beschwernissen, die deutlich erkennbar sind.
Ganz so schlimm wie sie dachte, "jetzt geht nur noch Radio", wird es
nicht kommen. Und dennoch bietet das Buch ein tiefgehendes, emotionales und,
hinter aller Ironie und allem Sprachwitz trauriges, aber auch Mut machendes
Ereignis für den Leser.
Neben der direkt und unverstellt erzählten Krankheitsgeschichte erhält das
Buch viele autobiographische Erinnerungen. Erzählt die Geschichte der Gaby
Köster, ihre "Medienentdeckung" durch Jürgen Becker, das
"Nachtleben" über fast ein Jahrzehnt in der Kölner Südstadt, dieser
fühlbare Erlebnishunger, die Lebenslust, aber auch der Raubbau an den eigenen
Kräften, ohne das überhaupt nur wahrzunehmen. Eine Zeit, in der intensive
Freundschaften, gerade zu Kalle Pohl und seiner Frau Michaela Zukunft
entstanden. Freundschaften, die jetzt gerade Stützen des Lebens sind und welche
die eher gängige Praxis der egozentrischen Medienszene doch in diesem Fall
zumindest deutlich widerlegen.
Durchaus selbstkritisch sieht Gaby Köster selbst ihre Erinnerungen. Fragt sich,
ob sie nicht doch beschönigt im Blick auf diese "wilde Zeit" der
"Kneipentouren". Und dennoch ist dem Buch ständig anzumerken, dass
Gaby Köster ernst macht mit ihrem Vorsatz "so wahrhaftig, offen und pur
wie möglich zu schreiben". Ein Eindruck, den die Einlassungen von Till
Hohenender (dem Mitautor des Buches) noch stark vertiefen.
Fazit
Eine echte Persönlichkeit legt hier ihre Geschichte vor, eine dramaitsche
Geschichte, daran ist nichts zu deuteln, aber eine Geschichte, die mit
Lebensmut, "lockerem Mundwerk" und echtem Erleben auch in den Tiefen
des Lebens gefüllt ist. Das Buch ist in letzter Konsequenz ein Hoffnungsbuch.
Nicht nur für Menschen, die sich nach schwerer Krankheit aufzurappeln haben,
sondern für jeden, der die Hoffnung nicht aufgibt, dass im Leben Tiefe,
Freundschaft und Sinnfindung möglich sind. Sei es beim "Reggae in der Reha
Klinik", sei es im Blick auf "Freunde", sei es bei der
lakonischen Erkenntnis "Nix Wiedergeburt, Vertrag verlängert".
Einfach lesen.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 05. Oktober 2011 2011-10-05 13:40:37