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A.J. Kazinski: Die Auserwählten

Die Auserwählten

von A.J. Kazinski
Verlag: Wilhelm Heyne Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Thriller
ISBN-13 978-3-453-26767-1

Preis: 19,99 Euro bei Amazon.de [Stand: 05. November 2024]
Hervorragendes Debüt!

"Er darf die 80 Cent nicht bezahlen, sonst stirbt er".

Die Mutter des Polizisten Tommaso di Barbara liegt in Venedig im Hospiz im Sterben. Die betreuende Ordensfrau weiß um die fast mediale Möglichkeit, ein kleines Stück in die Zukunft zu schauen in der Phase zwischen Tod und Sterben und nimmt sich fest vor, dem Polizisten die Botschaft zukommen zu lassen. 80 Cent nimmt die sterbende Mutter zudem noch in die Hand, um sich daran erinnern zu können, ihren Sohn zu warnen. Doch sie stirbt, bevor er vor Ort ist, auch die Ordensfrau ist nicht im Haus und so nimmt Tommaso das Geld, unwissend, wofür es gedacht war. Und der Leser verfolgt von diesem Augenblick im letzten Drittel des Buches hin nun, unter anderem, atemlos mit, worin die Gefahr wohl bestehen mag.

Dies ist nur einer der Erzählfäden, die in vielfacher Weise sich durch das Buch winden, bei denen das Autorengespann, welches sich hinter dem Pseudonym Kazinski verbirgt, wie so häufig Spuren auslegt, diese zugleich verwischt und in der Vielzahl der Eindrücke fast untergehen lassen. Spuren, die erst ganz am Ende der Lektüre in einer fulminanten Weise zusammenfallen und eine hoch intelligente, sorgfältig konstruierte, nie langweilige und dennoch in fast abgeklärter Ruhe erzählte Geschichte in Perfektion abrunden.

Selten hat ein Ende eines Buches in solcher Weise mehrfach überraschen können, wie es dem dänischen Autorenduo Klarlund und Weinreich hier gelingt. Auch die Einordnung des Buches als "Thriller" erfasst das Wesen des Buches nicht in völliger Form. Am ehesten lässt sich der Aufbau, die Erzählweise und eben vor allem das Ende noch vergleichen mit "The sixth sense", auch wenn das Sujet trotz der Bezüge zu "Nahtoderlebnissen", sich doch stark vom Film unterscheidet. In der Komposition des Buches aber liegt dieser Vergleich durchaus nahe.

Laut der Überlieferung des Talmud existieren zu jeder Zeit seit Beginn der Schöpfung, 36 Gerechte, welche die Menschheit schützen. Jene Auserwählten haben einige Gemeinsamkeiten, wissen aber weder von ihrer Erwählung noch kennen sie einander.
Was passiert, wenn diese Gerechte, einer nach dem andere von der Erde verschwinden? Und warum sollte das jemand tun?

Genau dies scheint nämlich zu geschehen, wie als erster Tommaso di Barbara in Venedig mutmaßt. Weltweit sterben Menschen auf gleich obskure Weise. Ihre einzige Gemeinsamkeit zunächst ist, dass sie alle in irgendeiner Art und Weise Gutes getan haben. Sowohl die Todesursache wie auch die Begleitumstände sind in solcher Weise ominös, dass noch nicht einmal die eigentliche Todesursache erkannt wird, vor weniger ein Fremdeinwirken nachgewiesen werden kann. Dennoch schaltet Tommaso die Polizei in Kopenhagen ein. Er vermutet (aus den falschen Gründen), dass dort der nächste Todesfall, Mord, was auch immer, stattfinden könnte. So aber wie er selbst ein Polizist "auf dem Abstellgleis ist", so nimmt in Kopenhagen auch einer die Fäden in die Hand, der im Kollegenkreis schon als ausgemustert gilt. Niels Bentzon aber ist einer, der nicht locker lässt, wenn ihn ein Fall packt und dieser Fall packt ihn. Spätestens da, wo er in Person einen Mord verhindert.

Gut, dass mit der Wissenschaftlerin Hannah, eine ob des Selbstmordes ihres Sohnes innerlich gebrochene Frau, sich jemand an seine Seite stellt, welche die Wissenschaft mit der Metaphysik in Einklang zu bringen versteht, die mathematisch beginnt, das Rätsel tatsächlich zu lösen, das sich hinter den scheinbar wahllosen Orten und Ereignissen verbirgt.
Ein Rätsel, welches das metaphysische Element intensiv mit der Wirklichkeit verzahnt. Gut, dass sich Hannah (eine der vielen nebensächlichen Spuren im Übrigen) irgendwann die Funktionsweise einer Pistole erläutern lässt, auch wenn der Ursache der Todesfälle kaum mit Kugeln begegnet werden kann. Oder auch gerade mit der Nutzung einer Waffe.

Nicht auf Aktion ist das Buch hin angelegt, auch wenn die ein oder andere Szene (die verzweifelte Suche nach dem nächsten Opfer im Krankenhaus, der versuchte Mord an einem vielleicht "Gerechten" in Kopenhagen und andere Szenen) ein hohes Tempo und eine intensive Spannungsatmosphäre aufweisen. Die Verbindung der vielfachen Fäden, die Erläuterung alter Überlieferungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse aus Mathematik, Physik, Metaphysik und Geohistorie sind es, zusammen mit dem jederzeit überraschenden Fortgang der Ereignisse und dem fulminanten Ende, die dieses Buch zu einem kompakten und hervorragenden Leseerlebnis gestalten.
Fazit
Das Buch bietet eine kreative und originäre Geschichte, eine dichte Atmosphäre, intensiv gezeichnete Figuren und ein Ende, in dem alle Fäden sich in kaum vorhersehbarer Weise zusammenfügen und ein faszinierend komplexes Bild letztlich ergeben. Ein Bild, mit dem das Buch selber jene Grundthese in sich darstellt, die als Ausgangspunkt zu Grunde liegt: Das alles mit allem zusammenhängt. Wie das aber zusammenhängt, was das Ziel der Todesfälle eigentlich ist, das führen die Autoren sprachlich, in der Konzeption und in den vielfachen Erläuterungen metaphysischer Phänomene in hoher Qualität vor Augen.
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne
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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 24. September 2011

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