Der vierzehnjährige Nicholas of Waringham ist 1529 im Schulinternat bei Sir
Thomas More, einem engsten Vertrauten des Königs Henry VIII. Eigentlich hat er
keine Lust zu lernen. Der junge Mann fühlt sich mehr zur praktischen Arbeit
berufen denn zu den geistigen Künsten. Da erreicht ihn der Ruf, er solle zur
Klärung einiger Dinge um seinen Vater Jasper, der kurz davor steht, beim König
in Ungnade zu fallen, nach Waringham zurückkehren. Ob seiner Einstellung zum
Lernen gegenüber ist er nicht traurig über diesen Ruf. Allerdings stimmt ihn
der Grund bedenklich. Er soll seinen Vater überreden, seine ketzerische Meinung
zurück zu halten und nicht überall kund zu tun. Doch es hilft nichts. Jasper
wird von Cromwell verhaftet, im Verlies gefoltert und stirbt kurze Zeit darauf.
Nick erbt die Baronie und muss sich nun gegen seine Stiefmutter und deren
Familie durchsetzen. So gelangt er in ein ungeheures Intrigenspiel am und um den
königlichen Hof.
Faszinierend sind die fiktiven Personen mit den historischen Personen
verknüpft. Intelligent und spannend hat die Autorin die fiktive Geschichte in
all die weißen Löcher der englischen Geschichtsschreibung gewoben, so dass
eine gewaltige Mischung aus historisch belegten Fakten und erfundenem Abenteuer
entstand. Da wundert es nicht, dass viele Details vom Hofe der Tudors des 16.
Jahrhunderts ohne Mühe recherchierbar sind. Die Handlung ist im
Herrschaftszentrum des Hofes genauso angesiedelt wie im damaligen Parlament, die
Auflösung der Klöster durch Cromwell, die Hinrichtung der zweiten Gattin
Henrys VIII., seine weiteren Ehen und Liebschaften. Überall ist ein Waringham
mittendrin. das ist so nah an der Realität, dass manch ein Leser in Versuchung
geraten könnte, nach dem Adelsgeschlecht derer zu Waringham zu recherchieren.
Andersherum gesagt, mag es für den Leser vielleicht schwieriger sein, die
fiktiven Ereignisse herauszufinden. Es ist beinahe schade, dass es die
Waringhams nicht tatsächlich gibt. Aber glücklicherweise gibt es Rebecca
Gablé, die sich um die Nachkommen der Waringhams wohl weiterhin wird kümmern
müssen.
Das Netz der Intrigen wurde von der Autorin so geschickt konstruiert, dass der
Leser unwillkürlich jede Figur, die im Roman in Erscheinung tritt, nur noch
argwöhnisch beäugen kann. Schon nach kurzer Zeit wird ihm der Gedanke nicht
aus dem Sinn kommen, dass die äußerst sympathisch erscheinende Figur
vielleicht doch etwas Hinterlistiges vorhat. Er erlebt damit ein unablässiges
Wechselbad der Gefühle, die sich beim Lesen des Romans auf einer Achterbahn zu
befinden scheinen.
Wer sich etwas in der englischen Geschichte auskennt, der kennt zwar den Ausgang
dieser Geschichte, zumindest den historischen. Denn daran hat die Autorin nicht
gerüttelt, aber offen bleibt die Zukunft der Waringhams. Die Spannungsbögen
innerhalb der 960 Seiten um Nicholas of Waringham, der wegen seines Versprechens
zum Schutzbefohlenen von Prinzessin Mary, der ersten Tochter Henrys VIII.,
geworden ist, sorgen für ein rasches Durchkommen durch so viel geballte
Geschichte im doppelten Sinne.
Fazit
Höchst empfehlenswert ist dieser Roman ohnehin, und dennoch mögen auch die
persönlichen Worte von Rebecca Gablé am Ende beeindrucken, in welchem Sie
einige kleine Geheimnisse ihrer akribischen Arbeit preisgibt.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 19. September 2011 2011-09-19 11:06:05