Eine philosophische Einladung
Nicht nur vom gestellten Thema her, allein schon in Form und Stil lohnt sich
dieses Buch von Terry Eagleton. Mit trockenem Humor, ironischer Distanz, einer
auf den Punkt treffenden Sprache und dennoch nicht selbstverliebt, sondern stets
dem gewählten Thema zugewandt, das sind nicht alltägliche literarische
Möglichkeiten, denen man mit Vergnügen folgt.
Und ein immer aktuelles Thema ist es, dem sich Terry Eagleton in seinem neuen
Buch verschreibt. "Das Böse", das seit Menschengedenken die Gemüter
bewegt, da, wo es auf einen trifft, Menschen immer wieder fassungslos hat stehen
lassen. Im Großen wie in den Grausamkeiten der Kriege und im Kleinen, da wo
zwei Zehnjährige ein Kleinkind zu Tode quälen oder Eltern ihre Kinder im
wahrsten Sinne des Wortes "Verrotten lassen".
Trotzdem auch Eagleton nicht daran vorbeikommt, das ein oder andere beleuchtende
und damit drastische Beispiel zu nennen, in seinem Buch sind diese Gräueltaten
in keiner Form der Mittelpunkt. Nichts Marktschreierisches haftet den Zeilen an.
Intensiv und im klaren Gedankengang wendet sich Eagleton seiner Betrachtung des
Bösen zu. Eine Betrachtung, die er konsequent im Buch zunächst aus allen
Bereichen der Transzendenz oder Metaphysik herauslöst und immer wieder auf
geerdete Beine stellt. Auch wenn er durchaus "das Böse" auch als
metaphysische Konstante zu betrachten versteht. Letztlich löst Eagleton den
Begriff aus den allzu alltäglichen Verständnisebenen. Feindschaft,
Niedertracht, Neid, all dies ist für ihn nicht das Böse. Sondern jene
zerstörerische Haltung alleine, die aus der "inneren Leere" des
Menschen erwachsen kann. "Die (göttliche) Ruhe ist unerträglich für den
unersättlichen Willen, der ewig verdrossen und unbefriedigt bleibt". Eine
"Unfähigkeit zu leben", die sich als "Mangel" aufzeigt. Ein
Mangel, dem unter ungeheurem Druck entflohen werden muss.
Das Böse ist in seinen Augen ein zunächst offenkundig innerweltliches
ethisches Problem, wo es zum tragen kommt, kein "Teufelswerk". So
macht Eagleton das Böse begreifbar und an der Welt anhaftend, schließt aber
zugleich auch die Tür der Weitergabe der Verantwortung an irgendwelche
metaphysischen Kräfte. Nein, es sind schon wir Menschen, die sich der
Verantwortung für das Böse, der eigenen "inneren Leere" zu stellen
haben.
Da, wo das Böse im Menschen wirkt und ihn antreibt, als Selbsterfahrung,
Selbstmächtigkeit, als Füllung einer inneren Leere. Deutlich wird, dass sich
Eagleton, neben durchaus vorhandenen Verweisen auf die historische Betrachtung
des Bösen und der Theodizefrage, neben einem Eingehen auf gegenwärtige
philosophische Ansätze, doch immer wieder auf den "Alltag des Bösen"
zu sprechen kommt.
Gut, dass nach der Lektüre deutlich wird, das "das Böse" eben nicht
"immer und überall" die Luft vergiftet, erschreckend dennoch, wie
schrankenlos Menschen sich "dem Bösen" im eigenen Inneren zuzuwenden
vermögen. Schlimm genug zudem, dass die "kleinen Schwestern" des
Bösen, "Bosheit und Niedertracht" durchaus das alltägliche Leben
schnell mitbestimmen, wenn man nicht aufpasst. So kann man letztlich Eagletons
Abwiegelungen, das "das Böse" aufgrund seiner eher geringen
Verbreitung im Eagletonschen Sinne kein allzu großer Grund zur Besorgnis sein
sollte, nicht ganz folgen (auch, wenn es beruhigend wirkt).
Fazit
Alles in allem legt Terry Eagleton ein konstruktives, nicht pessimistisches,
Buch zum "Bösen" vor. Leicht zu lesen, voller Humor, ohne ins Zotige
zu entgleisen. Ob man seiner Definition des Bösen letztendlich zustimmt oder
noch andere Schwerpunkte im eigenen Verständnis setzt, spielt letztlich für
den Gehalt der Lektüre des Buches keine entscheidende Rolle. Es lohnt sich
allemal, den Einlassungen und Erläuterungen Eagletons zu folgen.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 01. September 2011 2011-09-01 12:14:31