In dem historischen Roman "Titan" entführt Robert Harris seine Leser
wieder in die Antike. Tiro, der Sklave und Sekretär des bedeutenden römischen
Politikers und Redners M. T. Cicero, erzählt in diesem Roman die Geschichte
seines Herren und damit auch die Geschichte der auf ihr Ende zulaufenden späten
Römischen Republik.
Zu Beginn des Romans gibt es einen kleinen Schreckensmoment: Der Konsul Cicero
wird zu einem Tatort gerufen... Oh, nein! Das wird doch keine Geschichte über
einen römischen Konsul, der in seiner Freizeit Privatdetektiv spielt und einen
Mord aufklären muss? Den Göttern sei Dank, dem ist nicht so. Der Mord hat zwar
seine Bedeutung, doch es geht um viel mehr; es geht im Allgemeinen um den
Überlebenskampf der Römischen Republik, in der sich Senat und Volk teilweise
feindlich gegenüberstehen. Popularen und Optimaten ringen mit fairen und
unfairen, mit traditionellen und neuen (politischen) Mitteln um ihre Ziele. Im
Kleinen erzählt die Geschichte von dem Kampf vieler verschiedener
Persönlichkeiten (Catilina, Caesar, Pompeius u.a.) um Macht, Geld, Ruhm,
Anerkennung und Liebe. Es gibt Verschwörungen, Intrigen, Überläufer,
Spione... In der Stadt Rom herrscht eine große Anspannung und zwischen allen
Stühlen steht der Mann, der die Römische Republik retten möchte und dafür
sogar seine Ermordung befürchten muss: Cicero. Glaubt man, dass man zusammen
mit Cicero eine Intrige aufgedeckt hat und flaut die Spannung ab, so muss man
feststellen, dass da noch mehr im Busch steckt...
Der historische Hintergrund des Romans ist sehr gut recherchiert und hält sich
bei den wichtigen Ereignissen und auch bei kleinen Anekdoten stark an die
historische Überlieferung - sogar die Erzählerfigur Tiro ist historisch
verbürgt. Viele überlieferte Begebenheiten und Anekdoten (u.a. sogar Auszüge
aus den Reden des großen Redners Cicero), die Historiker oder historisch
interessierte Laien sicherlich schon kennen, finden sich in der Geschichte. Dies
ist einerseits ein positiver Punkt, doch andererseits ist es manchmal nervig, da
man an manchen Stellen aus dem Lesefluss geschleudert wird - man erkennt dann
die Konstruktion, da der Erzähler sich manchmal stark verrenken muss und auch
noch sein Wissen über jene Anekdote rechtfertigt. Wenig hilfreich sind dann
auch eingestreute Kommentare, die danach fragen, wie man dieses oder jenes wohl
in tausend Jahren beurteilen würde. Manchmal merkt man auch, dass durch den
Erzähler der Autor spricht und seine Interpretation der Geschichte anbringen
möchte; meistens beginnt eine solche Aussage mit "Meiner Meinung
nach..".
Das ist jedoch Meckern auf hohem Niveau; im Großen und Ganzen sind die
historischen Fakten und Anekdoten sehr gut in eine Geschichte eingearbeitet, die
den historischen Stoff sehr farbig schildert. Ein kleiner Minuspunkt ist aus
meiner Sicht die teilweise platte Charakterzeichnung, da nicht immer hinreichend
psychologisch die Entwicklung in den Charakteren aufgehellt wird.
Sprachlich gibt es bei der deutschen Übersetzung nichts zu meckern und auch
nichts lobend hervorzuheben. Die Sprache ist für einen historischen Roman auf
normalem Standard.
Fazit
Ein historischer Roman, der das Adjektiv "historisch" wirklich
verdient hat. Zudem ist Titan ein wirklich spannender Polit-Thriller voll von
bösen Intrigen, wechselnden Bündnissen und kluger Wortgefechte, sowie mit viel
Action und teilweise heiteren Anekdoten und Witzen.
Die überlieferte und selbst schon spannende Geschichte der späten Römischen
Republik wird sehr lebendig dargestellt und die Nerven liegen blank, wenn man
jederzeit mit einem Attentäter rechnen muss.
Neben kleinen Schönheitsfehlern, die im vorletzten Absatz meiner Rezension
genannt werden, also ein lesenswertes und fesselndes Buch mit großem
Unterhaltungswert.
Vorgeschlagen von Rafael
[Profil]
veröffentlicht am 18. August 2011 2011-08-18 10:20:07