Das Buch beginnt ganz harmlos, mit einer gutbürgerlichen Szene am Sonntagmorgen
beim Frühstück, im Jahr 1899. Heinrich Herrmann, der eben erst von einer
kräftezehrenden Reise aus Deutsch-Neuguinea zurückgekehrt ist, geniesst die
Ruhe, seinen Kaffee und die Zeitung, als das Dienstmädchen ihn mit der Meldung
aufschreckt, er müsse sofort in den Zoo, seine Wilden würden streiken.
Die Reise nach Deutsch-Neuguinea hatte nämlich den Zweck, für die beliebten
Völkerschauen des Zoos Hagenbeck neue Wilde zu finden. Das war für den Agenten
gar keine einfache Aufgabe, denn die Sensationslust der europäischen
Zoobesucher verlangt nach immer neuen, noch exotischeren Wilden, die aber nicht
allzu gefährlich sein dürfen, sonst werden sie für den Zoo zum
Sicherheitsrisiko. Und da die Konkurrenz auch nicht schläft, musste Heinrich
Herrmann noch gegen den Kollegen aus Paris durchsetzen. Nun hat er also seinen
Stamm Kopfjäger gegen alle Widrigkeiten nach Hamburg gebracht, doch hier fangen
die Probleme erst an...
Die Vorstellung, fremde Völker in Zoos und Variétés zur Belustigung der
Massen auszustellen, wirkt heute barbarisch, das war aber vor noch nicht
allzulanger Zeit in Europa durchaus üblich. Das war mir zwar bewusst, trotzdem
war ich etwas überrascht, als meine Großmutter mir beiläufig erzählte, sie
habe in ihrer Kindheit noch die "Lippennegerinnen" im Zoo Basel
gesehen. Das war damals ein großes Spektakel, da wurde im Zoo extra ein
"Eingeborenendorf" aufgestellt, für das man separaten Eintritt zahlen
musste, um dann den Wilden beim Kochen, Essen und Tanzen zusehen zu können.
Universitäten und Museen nutzten die Gelegenheit für Studien und fertigten,
falls eines der Ausstellungsstücke am ungewohnten Klima oder einer Krankheit
starb, auch gerne anatomische Präparate an. Die Wilden wurden zwar selten
gewaltsam verschleppt, in der Regel wurde mit dem lokalen Häüptling, König
oder Stammesführer über die Reise verhandelt, aber die wenigsten hatten eine
Ahnung, was auf sie zukommen würde, noch konnten sie sich gegen Misshandlung
zur Wehr setzen.
Genau an diesem Punkt setzt CKLKH Fischer mit seiner "Grossen
Kannibalenschau" an, indem er die Rollen vertauscht. Weil sich seine Wilden
einen Anwalt nehmen und auf ihre Vertragsrechte pochen, bringen sie die
gängigen Vorstellungen von wild und zivilisiert durcheinander und sorgen für
wunderbar skurile Momente. Der Autor spielt gekonnt mit den Klischees, lässt
großartige Bilder entstehen und immer wieder ins Absurde kippen. Besonders
gelungen ist die Szene eines gutbürgerlichen Geburtstagsfestes, bei dem sich
die biederen Hamburger Bürger unerwartet den Südseeinsulanern gegenübersehen
und sich so gar nicht kultiviert benehmen.
Fazit
Großartige Unterhaltung, die auch zum Nachdenken anregt
Vorgeschlagen von Sibylle Meister
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veröffentlicht am 06. Juli 2011 2011-07-06 17:24:00