Exiljahre
Seit dem, inzwischen vielfach gesendeten, umfassenden Film von Heinrich Breloer
über die Manns ist die Zeit zwischen 1938 und 1952, jene Exiljahre Manns in
Amerika, besser und bildlicher beleuchtet als in den langen Jahrzehnten zuvor.
Jahrzehnte, in denen sich gerade die deutsche kulturelle Landschaft, aber auch
die Politik, lange Zeit schwer taten mit dieser "Stimme Deutschlands",
die sich in Übersee entwickelt hatte.
Nicht zuletzt daher klaffte bisher eine gewisse Lücke, was diese Jahre für den
Schriftstellter Thomas Mann, sein Werk, aber auch seine kulturelle Identität
betreffen.
Exiljahre auch, die den Selbstmord seiner Schwägerin, die Entwurzelung gerade
seiner Kinder Klaus und Erika vorantrieben, für Klaus Mann ebenfalls mit
dramatischen Folgen, später. Die seinen Bruder Heinrich, zu Zeiten durchaus im
Erfolg fast Thomas fast ebenbürtig, in Armut stürzten und die enge
Unterstützung durch Thomas Mann nötig machte.
Eine Zeit aber auch, in der seit Anfang der 40er Jahre vielfaches von Thomas
Mann in Wort und Ton erhalten ist. Seine in Kalifornien aufgezeichneten
Schallplatten zum Zwecke von Radiosendungen für die Kampfgebiete in Europa
enthalten bis heute sprachlich wie inhaltlich intensive Gedanken und Aufrufe
über den Frieden, den Menschen, das gemeinschaftliche, würdige Zusammenleben
der Völker. Thomas Mann, der 1944 die amerikanische Staatsbürgerschaft
erhielt, legte diese nicht mehr ab und starb, letztendlich, in Europa als
amerikanischer Staatsbürger. Ein Umstand, der, obwohl ursächlich nicht selbst
gewählt, doch einen Keil der Entfremdung zwischen Mann und gewisse Kreise in
Deutschland auch späterhin trieb. In diesen Jahren in Amerika ging es also
durchaus gewichtig um die Frage der kulturellen Identität des Schriftstellers
und um den Vorgang einer Entwurzelung, die spürbare Folgen für sein Denken und
auch für sein Werk nach sich zog.
Gerade seine vielfachen Mahnungen in Fragen der deutschen Schuld und deutschen
Verantwortung zeigen zum einen seine Sicht der Dinge, in der Reaktion aber auch
die Schwierigkeiten, mit denen er als einer der größten deutschen
Schriftsteller des 20. Jahrhunderts in der Heimat zu kämpfen hatte. Jene
"Schicksalsirrtümlichkeit", als die Mann sein erzwungenes Exil
betrachtete, führte lange zu einer solitären Stellung Thomas Manns.
Umstände, die durchaus veränderten und Einfluss nahmen, die letztlich aber
nicht am Kern des Selbstbewusstseins Thomas Manns rührten. Weltweit aufgestellt
finden sich in vielen seiner Äußerungen diese selbstbewusste Haltung eines
Mannes wieder, der sich selber auf der "richtigen Seite" wusste. Auch
dieses Selbstbewusstsein, im Vorfeld bereits angelegt, ist in dieser Ausprägung
Teil seiner Entwicklung in den amerikanischen Jahren. Er wurde zum weltweit
geachteten "Repräsentanten deutscher Kultur". Der "anderen"
deutschen Kultur-
In vielfachen Betrachtungen, Anekdoten, Begegnungen, in der Betrachtung des
Verhältnisses Manns zu Kollegen, zur amerikanischen Kultur, gerade auch zu den
amerikanischen Germanisten, aber auch im Blick auf das private Leben Manns in
Amerika vollzieht Vaget diese Entwicklung des geachteten Nobelpreisträgers zum
internationalen Symbol einer Kultur auf gut 500 Textseiten und einem
überbordenden Anhang nach. Der Weg ins Exil, die Auseinandersetzug mit der
amerikanischen Politik, seine enge Beziehung zu Agnes Meyer gerade während der
Schaffensperiode zu "Dr. Faustus" sind hier ebenso ausführlich einer
Betrachtung zugeführt, wie das Verhältnis Manns zum universitären Leben
(diverse Ehrendoktorwürden wurden ihm verliehen, Vorlesungen hielt er), aber
auch seine spielerischen Verbindungen nach Hollywood. Der Bogen reicht bis hin
zu den erwähnten Reibungen und Abstoßreaktionen im Nachkriegsdeutschland
mitsamt seiner politischen Kultur, die sich schwer tat mit Thomas Mann, dem
Amerikaner.
Fazit
Alles in allem ein umfangreiches Bild der amerikanischen Jahre, sowohl, was die
äußeren Stationen angeht, vor allem aber mit einem Schwerpunkt auf die innere
Entwicklung Manns, seinen erklärten und gelebten Antinationalsozialismus und
sein politisches und künstlerisches Schaffen und Denken. Mit diesem Buch ist
eine biographische Lücke beredt und fundiert geschlossen worden. In der Sprache
stellt sich Valet als eher trocken und beschreibend dar, weniger als flüssig
und romanhaft, vor allem aber als hoch informativ und Querschlüsse der
Entwicklung offenlegend.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 01. Juli 2011 2011-07-01 12:12:54