Neurowissenschaft und alte Rache
"Kann man die Seele umprogrammieren?", ist nicht nur eine ernsthafte
bearbeitete Forschungsfrage, sondern auch ein Teil des Erfolgsrezeptes von
Gabriel Tretjak, der Hauptfigur des Buches. Von Geburt her Südtiroler, lebend
in München und von dort aus seiner Tätigkeit nachgehend. Er vertraut fest auf
manche Erkenntnisse der Neurowissenschaften und legt zugrunde, dass "es
keine Wahrheit gibt, sondern nur Konstruktionen persönlicher
Wahrheiten".
Durch intensive Recherche und eine Vielzahl von Querverbindungen zu den
Menschen, die seinen jeweiligen Klienten umgeben, "regelt" er, nach
Beauftragung, das Leben von Menschen neu. So findet man ihn zu Anfang des Buches
damit beschäftigt, einer Frau, die aus ihrem bisherigen Leben ausbrechen will,
zum einen diesen Neustart mit neuem Geschäft, Wohnung, Auto, neuer Stadt
einzurichten, zugleich dem Ehemann der Frau das beste Einverständnis zu diesem
Verlassen werden zu offerieren und dazu wiederum dem Mann seine berufliche
Existenz zu retten (im Rahmen von weiteren Verbindungssträngen zu Konkurrenten,
die der Mann gar nicht im Blick hatte).
Gabriel Tretjak weiß eben alles über das Leben derer, mit denen er sich gerade
beschäftigt. Er vermag die Fäden geschickt miteinander zu verbinden und
ändert auf diese Weise nicht nur das äußere Leben seiner Klienten, sondern
auch deren inneres Erleben. Eine Fähigkeit, die er bereits als Student mit
großer Neugier an Fremden erprobt hat. Nicht aus der Luft gesogen ist dies
alles, eine Reihe von Fachleuten, alten Freunden, hat ihn im Lauf der Jahre
beeinflusst und sein Wissen gemehrt. Doch nun gerät er selber ob einer alten
Geschichte in das Fadenkreuz eines Mörders. Er, der "Regler", beginnt
zu spüren, wie jemand beginnt, sein Leben "zu regeln". Merkwürdige
Nachrichten erreichen ihn. Nicht nur einer seiner alten und auch aktuellen
Weggefährten wird ermordet und verstümmelt. Ein Kommissar heftet sich, ruhig,
aber ausdauernd, an die Fersen dieses merkwürdigen Falles und stößt bald auch
auf Tretjak, ohne sich zunächst einen Reim auf den Mann machen zu können. Das
Finanzamt entsendet eine Prüferin, doch ist diese wirklich das, was sie
vorgibt, zu sein?
Als zu guter letzt auch noch Tretjaks Vater, der seinen Sohn für ein echtes
Monster hält, die Bühne der Geschehnisse betritt, sind alle Zutaten für eine
verwirrende, auf innerer wie auf äußerer Ebene komplex ablaufende Geschichte
zubereitet.
Eine Vor- und Zubereitung, für die sich Landorff, in ebensolcher Ruhe wie der
Kommissar im Fall, über 100 Seiten Zeit nimmt.
Äußerlich spannend zu sein ist dabei nicht der vordringliche Eindruck, den das
Buch hinterlässt. Erst im letzten Teil der gut 330 Seiten hin werden
Bedrohungssituationen erkennbarer in den Raum gestellt. Bis dahin aber ist der
Leser durchaus bereits in den inneren Abläufen der Geschehnisse gefangen.
Geschickt vermischt Landorff (ein Pseudonym, im Übrigen, das hier einen ersten
Thriller vorlegt) aktuelle Erkenntnisse der Neurowissenschaften mit dem Eingriff
in ein anderes Leben, wofür der "Regler" für eine gewisse Zeit die
Kontrolle über dieses Leben übernimmt. Ebenso, wie er nun selbst spürt, dass
jemand beginnt, ihn zu kontrollieren und seine nächsten Schritte zu
manipulieren.
Fazit
Ein interessanter Grundansatz, den der Autor in recht einfacher Sprache (ohne
ins Plumpe zu verfallen) vor den Augen des Lesers ausbreitet. Allerdings ist die
Ruhe der Erzählweise ein gewisses Manko. Spannung taucht über weite Strecken
nicht auf und auch entscheidende Situationen im Buch sind sprachlich zu
gleichförmig erzählt. So verbleibt ein interessanter, aber nicht unbedingt
mitreißender Eindruck am Ende des Buches. Durchaus aber allein schon aufgrund
der Einarbeitung der neurowissenschaftlichen Elemente lohnt die Lektüre.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 23. Juni 2011 2011-06-23 13:07:12