Scharf bewacht, technisch sehr gut ausgebaut, quer durch Deutschland und um
West-Berlin: Die deutsch-deutsche Grenze. Sie teilte die deutschen Staaten 28
Jahre. Mörderisch diente sie, die Flucht der eigenen Bürger zu verhindern, um
so die Macht der Funktionäre im Staat aufrecht zu sichern.
Das zweite D in DDR zu einer hohlen Phrase verkommen, war in der DDR die Lage
alles andere als demokratisch. Die Propaganda redete das Leben schön: der
mörderische Grenzstreifen wurde zur "Friedensgrenze" stilisiert, eine
grotesk perverse Situation, die die wahre Lage im Arbeiter- und Bauernstaat auf
den Kopf stellte.
Um eine Verklärung der Geschichte zu verhindern, ist dieses Buch sehr wertvoll.
Es zeigt die Probleme der damaligen Zeit auf und das was die Menschen bewegte.
Es legt die Probleme sprichwörtlich in die Wunden der Zeit.
Geschildert wird eine äußerst spannende Fluchtgeschichte einer Familie, die
unter den Grenzsperranlagen in einer Kanalisation alle Sperren überwindet.
Man wird beim Lesen in die Planung einbezogen und bekommt "hautnah"
die ungeheuere Anspannung alle beteiligten Personen mit.
Die Familie besteht aus dem 58-jährigen Opa, der 11-jährigen Tochter und den
33-jährigen Eltern. Der Vater, gleichzeitig der Autor des Buches, ist schon
durch eine Besuchsreise im Westen Deutschlands und plant von hier die aufwendige
Flucht.
Aus Angst um seine Familie, führt er zunächst eine "Probeflucht"
durch. Würde es funktionieren? Könnte er die Sperranlagen unterirdisch
überwinden? Die Probeflucht gelingt. Wieder zurück im Westen, informiert er
seine Familie im Osten, um fünf Tage später abermals unterirdisch durch die
Sperranlagen in die DDR zu gehen und seine Familie raus zu holen.
Zuvor wird einfühlsam der seelische Leidensweg beschieben, aus dem der Gedanke
zu dieser dramatischen Flucht entsprang.
Dieses Buch dokumentiert durch zahlreiche original Unterlagen der Stasi-Akten,
wie der Spitzel-Apparat arbeitete.
Angereichert wird das Buch mit interessanten und lustigen Anekdoten aus der DDR,
die das Leben in der DDR widerspiegelt.
Besonders interessant sind die Kurzgeschichten vom ehemaligen Grenzübergang
Marionborn/Helmstedt A2. Hier bekommt man Insiderwissen, einen interessanten
Blick hinter die Kulissen am Grenzübergang zur damaligen Zeit.
Fazit
Der Autor hat mit diesem Buch als Zeitzeuge einen wichtigen Betrag zum
Verstehen und Bewerten der DDR-Verhältnisse geleistet.
Ein ausgesprochen gutes Buch und absolut zu empfehlen für jeden, der sich für
deutsch-deutsche Geschichte interessiert.
Vorgeschlagen von Ralf Becker
[Profil]
veröffentlicht am 12. Juni 2011 2011-06-12 17:31:57