Ein fast vergessenes Stück erschreckender Geschichte
Anna Reid hat Recht, wenn sie jenen "dunklen Abschnitt unter vielen"
der damaligen jüngeren russischen Geschichte als einen kennzeichnet, der im
Gedächtnis der Völker stark an den Rand geschoben wurde (bewusst und
unbewusst), dass manche Zeitgenossen gar "Leningrad" mit
"Stalingrad" gleichsetzen.
Dabei ist das Geschen um die heute wieder St. Petersburg genannte Stadt ein
durchaus besonderes Kapitel der Weltkrieg 2 Geschichte (und der nachgehenden
politisch gewollten Verdrängung im Russland Stalins). Aufgrund er Nähe zur
Westgrenze Russlands der damaligen Zeit hat Leningrad in ganz besonderem Maße
die Krieg Hitlers gegen Russlands erdulden und bezahlen müssen. Als eine der
ersten, russischen Städte unter Belagerung und (wiederum aufgrund der Nähe zur
deutschen Grenze) als eine der letzten, die noch unter Belagerung standen.
Erobert hat Hitler Leningrad nicht. Aber 750.000 tote Zivilisten hinterlassen.
Verhungert, erfroren, getötet in der Zeit von September 1941 bis Januar 1944.
Zudem eine Stadt, die einen ungeheuren Blutzoll an Soldaten beiderseits
forderte. Die einen, die einnehmen wollten, die andern, die dies erbittert zu
verhindern gedachten und einen Korridor schlugen, auf dem Leningrad, wenn auch
nur notdürftig, mit Lebensmitteln versorgt werden konnte. Allein der finale
Kampf um Leningrad forderte auf russischer Seite über 150.000 Gefallene. Was
übrigens auch mit schwerwiegend materiellen und taktischen Mängeln der roten
Armee zusammenhing, wie Anna Reid fundiert und breit dargestellt erläutert.
Auf dieses Leningrad nun konzentriert sich die Autorin im Buch, versäumt es
aber nicht, größere Zusammenhänge herzustellen, die politische Führung
beider Lager zu charakterisieren und, natürlich, die militärischen
Operationen, Strategien, Kämpfe in ihrem Hintergrund, ihrer Auswirkung und
ihren Folgen sachlich darzustellen. So stellt sie in ihrem gut lesbaren,
unprätentiösen Stil durchaus die "Politik der verbrannten Erde" und
den Hintergrund des Überfalls auf Russland mitsamt seinen weitreichenden
Plänen mit dar.
Vor allem aber die Stadt selbst ist es, die sie in den Mittelpunkt ihres
Berichtes stellt. Wenn sie mitten in größter Not von einer Sowjet angeordneten
Tanzaufführung in einer Schule erzählt, bei der sich die unter Zwang
teilnehmenden Kinder kaum auf den Beinen halten konnten vor Entkräftung, die
zuständige Kommissarin aber auf das Fest pochte, um nach oben hin den
Kampfeswillen Leningrads zu demonstrieren. Wenn sie fast schmerzlich
sachlich-nüchtern von der Ausweglosigkeit berichtet, nachdem die letzte Katze
(und anderes Getier) gegessen waren und die russische Führung außerstande
war, zu evakuieren oder die Stadt zu versorgen. Aber auch, wenn sie von den 25
Jahren Gulag erzählt, die späterhin jenem Stadtoberen zu Teil wurden, der ein
kleines Museum erlaubte, in dem die Realität gezeigt wurde und der große
Stalin damit indirekt als einer erschien, der die Stadt nicht versorgen und die
Menschen nicht retten konnte.
Momente, die besonders verstärkt und vertieft werden durch die Vielzahl von
Berichten aus erster Hand von Überlebenden, welche die Autorin vielfach in
ihren Text einfließen lässt.
Wissenschaftlich und sachlich-nüchtern berichtet Anna Reid von jenem
traumatischen Geschehen in und um Leningrad mitsamt der vielfachen Herleitungen
und Folgen in russischer und deutscher Kriegsführung und späterer Politik,
ergänzt durch einen übersichtlichen, dennoch aber eindrucksvollen Bildteil in
der Mitte des Buches. Kenntnisreich und unaufgeregt entnimmt die Autorin damit
einen fast vergessenen bis gewollt an den Rand gedrängten Teil der Geschichte
des letzten großen europäischen Krieges dem Vergessen und bietet eine
fundierte und gründlich recherchierte Darstellung der Geschichte jener Jahre in
und um Leningrad, die überaus lesenswert, über weite Strecken aber nicht
leicht verdaulich im Raum steht. Kein einfaches, aber ein wichtiges Buch, dass
nicht zuletzt aufgrund der schnörkellosen Berichtsform nachhaltig Eindruck
hinterlässt.
Fazit
Wissenschaftlich und sachlich-nüchtern berichtet Anna Reid von jenem
traumatischen Geschehen in und um Leningrad mitsamt der vielfachen Herleitungen
und Folgen in russischer und deutscher Kriegsführung und späterer Politik,
ergänzt durch einen übersichtlichen, dennoch aber eindrucksvollen Bildteil in
der Mitte des Buches. Kenntnisreich und unaufgeregt entnimmt die Autorin damit
einen fast vergessenen bis gewollt an den Rand gedrängten Teil der Geschichte
des letzten großen europäischen Krieges dem Vergessen und bietet eine
fundierte und gründlich recherchierte Darstellung der Geschichte jener Jahre in
und um Leningrad, die überaus lesenswert, über weite Strecken aber nicht
leicht verdaulich im Raum steht. Kein einfaches, aber ein wichtiges Buch, dass
nicht zuletzt aufgrund der schnörkellosen Berichtsform nachhaltig Eindruck
hinterlässt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 10. Juni 2011 2011-06-10 16:16:43