Familienbande
"Ihr seid nicht die ersten, die so etwas durchmachen, aber ihr seid
wahrscheinlich eher in der Lage, damit fertig zu werden, als die meisten anderen
Leute".
So beurteilt Ligaya, das Kindermädchen der Familie Solomon, die Situation,
nachdem Amy Salomon 38jährig an Herzversagen von jetzt auf gleich gestorben
war. Ehefrau eines Handchirurgen, Mutter dreier kleiner Kinder, Tochter von
Roger Rosenblatt, Essayist und Professor für englische Literatur und kreatives
Schreiben in New York.
Was aus diesem schmerzvollen, traurigen und dramatischen Tod folgte, legt
Rosenblatt in diesem kleinen, im Stil eher nüchtern geschriebenen und dennoch
hochemotionalem Buch nieder. Rosenblatt und seine Frau verlegen ihren Wohnsitz
umgehend in das Haus ihrer verstorbenen Tochter und ihres Schwiegersohnes und
übernehmen die Sorge und Erziehung der drei Kinder. In ganz eigener, spezieller
Weise. Aus der Ich-Perspektive erzählt Rosenberg diese, seine autobiographische
Geschichte und lässt den Leser unmittelbar teilhaben am Alltag der Familie, den
gemeinsamen Bewältigungen der kleinen Aufgaben, dem sich wieder annähern an
die Erlebniswelt kleiner Kinder. Dem gemeinsamen Frühstück vor allem, Ort der
Nähe und, auch, der Erziehung, die und hier vornehmlich der Großvater,
einfließen lässt (zumindest, es ständig versucht).
Sieht man einmal davon ab, dass Rosenblatt natürlich ein "Großvater wie
gemalt" ist (zumindest in seiner Selbstdarstellung) und durchgängig seine
persönlichen "Wichtigkeiten des Lebens" erkennen lässt (und diese
den Kleinen ebenso häufig ungefragt mit auf den Weg geben will), entpuppt sich
dieses Buch als eine hoch emotionale Angelegenheit, in dem gerade in den
Nebenströmungen (da, wo der Ich-Erzähler nicht immer das "große
Wort" führt) wunderbare und ergreifende Einblick in das Leben, die Welt
kleinerer Kinder, die großen Themen Sterben und Tod und die existentielle
Bedeutung der Familie gibt. Wie wichtig an den Schaltstellen des Lebens der
Zusammenhalt ist, das trifft den Leser in den Zeilen des Buches unvermittelt und
in großer Klarheit. In einer Welt, die sich mehr und mehr individualisiert (und
damit nicht gerade wirklich gut zurecht kommt) setzt die Geschichte der
Rosenblatts einen wichtigen Kontrapunkt.
Sicher fällt von Beginn an auf, dass die Familie, so dramatisch das Geschehen
auch ist, immer noch über unschätzbare und nicht weit verbreitete Privilegien
verfügt. Genügend finanzielle Mittel sind vorhanden. Umgehend finden sich die
Großeltern bereit, ihre eigenen Pläne aufzugeben, die eigene Arbeit ein
stückweit hinten an zu stellen. Mit der Folge auch, aus einem großen Haus in
ein kleines Gästezimmer dauerhaft zu ziehen.
Ein umfassendes und großes Umfeld steht ebenfalls zur Hilfe bereit. So stellen
"mehr als hundert Leute" in den ersten, schweren Wochen sich zur
Verfügung, die Familie beständig mit Essen zu versorgen, wie auch ansonsten
die Hilfsbereitschaft groß ist.
In manch solchen Schilderungen gerät das Buch, trotz des nüchternen Stils,
doch ein wenig zu pathetisch und erinnert an gefühlsbetonte Hollywoodfilme (mit
dem "starken Helden" des Großvaters, der schon alles auf seine Weise
gut regeln wird). In vielen kleinen Begebenheiten trifft Roger Rosenblatt aber
mitten ins Herz. Da, wo es ihm gelingt, sich selber ein wenig aus der Sichtlinie
zu ziehen und gerade die Kinder in ihrer Eigenheit und ihrer Situation nach dem
Tod der Mutter zu Worte kommen zu lassen, da entstehen wunderbare Momente im
Buch. Momente, welche die emotionale Kraft des Lebens, die Hoffnung auf ein
Morgen, das Bewältigen des Alltages und das Verarbeiten auch schwerer Schläge
intensiv in den Raum zu stellen vermögen.
Ein wunderbares und eindringliches Buch in seinen besten Momenten, dass das
Leben feiert, den Tod aber nicht ausklammert und Liebe, Hoffnung, Schmerz, aber
auch Zusammenhalt und die je eigenen Entwicklungen der Personen treffend zu
benennen weiß. Mit Schwächen in der Eigendarstellung des Ich-Erzählers,
dessen wohl allzu großes Ego das Leseerlebnis hier und da doch stört. Davon
aber sollte man sich das Eigentliche des Buches nicht verderben lassen.
Fazit
Ein wunderbares und eindringliches Buch in seinen besten Momenten, dass das
Leben feiert, den Tod aber nicht ausklammert und Liebe, Hoffnung, Schmerz, aber
auch Zusammenhalt und die je eigenen Entwicklungen der Personen treffend zu
benennen weiß. Mit Schwächen in der Eigendarstellung des Ich-Erzählers,
dessen wohl allzu großes Ego das Leseerlebnis hier und da doch stört. Davon
aber sollte man sich das Eigentliche des Buches nicht verderben lassen.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 30. Mai 2011 2011-05-30 16:23:35