Smart und todgeweiht
Neben einigen in sich geschlossenen Romanen sind Preston / Child seit ihrem
Debüt "Relic" vor allem für ihre Romane um Special Agent Aloysius
Pendergast bekannt, zu dem mittlerweile fast ein ganz eigenes, untereinander
verwobenes Universum an Geschichten entstanden ist. Geschichten, die sich auch
durch eine gehörige Prise Verschachtelung und Mystik mit einigen fantastischen
Elementen auszeichneten.
Nun hat das Autorengespann einen neuen, durchaus mit guten Ansätzen versehenen,
Protagonisten ins Rennen geschickt. Gideon Crew.
Der nicht einfach aus dem Nichts im Buch auftaucht, sondern von Preston und
Child mit einem ausführlichen Background versehen wird. Der Leser lernt Crew
bereits als Kind kennen und hat so einen guten Einblick in die persönliche
Entwicklung, die Dramen, die im Raume stehen und die den späteren jungen Mann
prägen. Im ersten Teil des Buches lassen die Autoren daher zunächst
Hintergründe einfließen und, aktuell, Gideon Crew seine persönliche
Geschichte actionreich ins Reine bringen, bevor übergeleitet wird in das, was
sicher auch in Zukunft die Aufgabe des Mannes sein wird. Im Rahmen einer
geheimnisvollen Firma, der EES, gefährliche und wichtige Geheimaufträge zu
übernehmen, in deren Hintergrund die US Regierung zwar mitschwingt, aber nie
vordergründig auftritt.
Die Voraussetzungen bringt die neue Hauptfigur durchaus mit. Ein
Verkleidungskünstler (ähnlich wie Pendergast), ohne größeres familiäres und
soziales Umfeld, vor allem aber mit einem Aneurysma im Gehirn versehen und damit
nur mehr von äußerst begrenzter Lebenserwartung, ein geschickter Einbrecher
und ein, in Teilen, fast verzweifelt mutiger Mann (was sehr hilfreich im Finale
dieses ersten Thrillers mit Gideon Crew sein wird). Ein chinesischer
Wissenschaftler ist bereit, eine weltverändernde Erfindung in den Westen zu
schmuggeln und Crew soll diese Erfindung an sich nehmen. Doch umgehend wird der
Chinese Wu Opfer eines brutalen Anschlages und alles scheint verloren. Wenn
nicht Gideon Crew die Puzzlestücke der Erfindung wieder zusammengesetzt
bekommt, verfolgt von einem der gefährlichsten Killer, den China aufzuweisen
hat. Auf diesem Weg wird Gideon weitere Verbindungen schaffen, alte
Bekanntschaften erneuern und durchaus erleben müssen, dass er sich in der ein
oder anderen Person sehr grundlegend täuscht, während andere, die ihm nahe
kommen, das Ende des Buches nicht erleben werden.
Temporeich und in klarer, direkter Sprache, so legen die Autoren ihr neustes
Buch vor. Nicht so verwinkelt wie der Pendergast Kosmos, ohne alle mystischen
oder fantastischen Elemente und damit leider auch ein wenig sehr oberflächlich
in der Geschichte, pflegen die beiden Bestsellerautoren hier einen anderen,
neuen Stil, der durchaus dennoch für eine spannende Lektüre sorgt. Wie gewohnt
verstehen es Preston und Child gerade die Action Sequenzen bildreich und absolut
direkt zu schildern. Eine Angst vor blutrünstigen Ereignissen kannten und
kennen die beiden in bester Weise nicht. Action ist damit das, was hier, im
Gegensatz zur subtilen Gefahr und zum ebenso subtilen Grauen in anderen Werken
der Autoren reinweg im Vordergrund steht. Ein wenig mehr Tiefe in der Geschichte
und ein wenig mehr unterschwellige Spannung a la Pendergast hätte es schon sein
dürfen, keine Frage. Ein leicht oberflächlicher Eindruck verbleibt nach der
Lektüre des Buches im Raum.
Einige Hintergründe, (zu) kurz abgehandelt im Buch, hätten eine weitere
Vertiefung ebenso verdient gehabt (die Vergangenheit Crews als Edel-Einbrecher
oder eine Erläuterung für seinen besonders gestalteten Ringfinger. Dass ein
Atomwissenschaflter nie zur Arbeit muss, ist ebenso merkwürdig, wie unlogisch).
Viel Platz bietet die Figur im Rahmen dieser ersten Geschichte also noch für
Entwicklungen, setzt aber, trotz mancher Schwächen, dennoch bereits im ersten
Auftreten einige lesenswerte Duftnoten.
Fazit
Temporeich, spannend, in Teilen oberflächlich, anders als bisher und nicht
immer einer eindeutigen Logik folgend, bildet das Buch einen einigermaßen
gelungenen Auftakt für eine weitere Serienfigur aus der Feder von Douglas
Preston und Lincoln Child, allerdings noch mit einiger Luft nach oben.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 26. Mai 2011 2011-05-26 14:49:56