Was ist schon normal?
Nicht nur, aber auch ein Indiz dafür, dass der äußere Erfolg und das
vermeintlich gut geregelte äußere Leben noch lange kein Garant für inneres
Glück, Zufriedenheit und Lebensenergie sind, ist dieser Roman von Eva
Lohmann.
Wie sonst könnte es passieren, dass eine offenkundig mitten im Leben stehende
junge Frau, durchaus mit Erfolgen im Beruf und mit einer zunächst einigermaßen
anregend wirkenden Beziehung zu einem Mann ausgestatteten, sich zu Anfang des
Buches im Eingangsbereich einer psychosomatischen Klinik wieder findet?
Übrigens schon in diesen Anfangssequenzen weiß Eva Lohmann nicht nur
sprachlich, sondern auch sachlich zu überzeugen. Dass der Mode Begriff
"Burn Out" nichts anderes bezeichnet als eine tief sitzende
Depression, nur eben etwas schicker klingt, das nimmt die Autorin durchaus auf.
Denn Mila Winter, die Protagonisten, hat genau dies attestiert. Depression. Burn
out. Und es ging nicht mehr weiter. Mit dem Leben, dem aufreibenden Beruf.
Von jetzt auf gleich quasi findet sie sich wieder in dieser Gegenwelt der
Klinik. Zunächst mit allem, was der "normale" Mensch so an
Vorurteilen mit sich bringt, es ist nicht einfach, sich dem ganz anderen
Lebensrhythmus dort, den Mitpatienten, dem Fachpersonal einigermaßen zu
öffnen. Vor allem, weil Mila, natürlich, zunächst davon ausgeht, dass sie ja
die "Normale" und "die da" alle die Merkwürdigen seien. Es
dauert, sich selber zumindest realistischer erkennen zu können. Mila muss zu
allem Übel durchaus noch akzeptieren, dass ihr Umgang mit Tabletten das
"normale" Maß bei weitem überschritten hat. Und muss ebenso
erkennen, dass auch die Selbstverständlichkeiten ihres Lebens in ihren
Beziehungen nicht dass sind, von dem sie stillschweigend einfach ausgegangen
ist. Wie tragfähig kann denn eine Beziehung sein, wenn einen der Lebenspartner
konsequent in der "Klappse" nicht besuchen kommt? Oder wenn die
eigenen Eltern sich bemühen müssen, nicht allzu kritische Blicke auf ihre
Tochter zu werfen, denn "keiner von denen, die an einen solchen Ort kommen,
ist doch normal, oder?".
So verbindet Eva Lohmann, sprachlich versiert und die innere Entwicklung der
Personen Situationen genau nachvollziehend und dem Leser verständlich
mitteilend, zumindest zwei Schwerpunkte in ihrem Roman. Das eine ist die
Entwicklung der Mila Winters. Eine Entwicklung, die durchaus Anklang findet und
finden wird, denn die Situation der jungen Frau ist breit bekannt in modernen
Zeiten und Lebenswelten. Ein fordernder Beruf, der "mit Haut und
Haaren" beansprucht (wenn man was werden will und das muss man doch,
oder?).
Lebensbeziehungen, die manches Mal dann doch nur für die
"Schönwetterzeiten" und den" auf keinen Fall stressenden"
täglichen Ablauf reichen, ansonsten schnell Brüche aufweisen. Sich dies alles
einzugestehen, zu merken, dass man auf Dauer nicht nur "Funktionieren"
kann, nicht immer nur dass aus sch herauspressen lassen kann, was "die
anderen" ständig erwarten.
Dieser Weg zu sich selbst und zu einer "gesunden" Einschätzung der
eigenen Möglichkeiten inmitten des "kranken und irren" Umfeldes, dass
ist der eine Strang der Geschichte. Mit dem sich umgehend die Frage der
Bewertungen verbindet. Wie ist das, wenn die "Verrückten" eigentlich
die sind, die beginnen, zu sich selber zu finden und die "Normalen"
jene, die tagaus tagein nur in ihrer eigenen, kleinen Welt alles versuchen, die
im Raume stehenden Erwartungen zu erfüllen. Und darunter dann
"Glück" verstehen. Wie Milas Eltern es ihrer Tochter doch tief
gönnen würden.
Fazit
Ein Debüt, dass in klarer Sprache und gut zu lesen sich eines innovativen,
anderen Themas annimmt und durchaus allgemein wichtige Impulse mit auf den Weg
zu geben versteht.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 26. Mai 2011 2011-05-26 14:09:45