Prof. Dr. Christiane Lemke, Politikprofessorin an der Freien Universität
Berlin, hat im Jahre 2000 eine lesenswerte
Einführung in den Themenbereich "Internationale Beziehungen"
vorgelegt. Anspruch des Werkes ist, Studierenden und einem interessierten
Fachpublikum eine Einführung in die wichtigsten Theorien internationaler
Beziehungen und in analytische Grundkonzeptionen der internationalen Politik zu
bieten (S. 3). Frau Lemke unterteilt ihren Ansatz in 6 Kapitel und einen
Anhang.
In einem ersten Kapitel werden die Theorien in dem Fachbereich untersucht, wobei
insbesondere die Grundbegriffe: Akteur und internationales System und - v.a. der
Machtbegriff in den internationalen Beziehungen (kurz)herausgearbeitet werden.
Die wichtigsten politischen Denkansätze, Realismus, Neorealismus und Englische
Schule, Liberaler Institutionalismus (wobei hier die Institutionalisten um
Robert Keohane wie auch die Frankfurter liberalistische Schule um
Czempiel zusammengefasst werden)
kommen allerdings eindeutig zu kurz. Der Name John Herz und sein zentraler
Begriff des "Sicherheitsdilemmas" fehlen gänzlich. Sie fehlen auch in
dem Kapitel "Enger und weiter Sicherheitsbegriff im Kapitel 2:
"Problemfelder der internationalen Politik") Czempiels an Kants
Schrift "Zum theoretischen Frieden" entwickelter Liberalismus wird -
äußerst kursorisch - in dem Kapitel "Krieg und Frieden in der
internationalen Politik" auf einer Seite abgehandelt. Die Autorin
unterscheidet weiterhin Interdependenztheorie und Regimeforschung, Postmoderne
und Konstruktivismus und untersucht
feministische Theorien internationaler Beziehungen. Weitere Theorieansätze,
etwa die Spieltheorien oder der wichtige
"Rational-choice-Ansatz", der davon Ausgeht, Staaten handelten auf der
Basis von rational begründeten Handlungsalternativen und fällten daraufhin
ihre Entscheidungen - finden sich (leider) nicht in diesem Kapitel, sondern
weiter hinten unter dem Kapitel "Außenpolitik als Handlungsfeld".
Hier werden auch Ansätze wie "machtpolitischer Ansatz",
"Aktions-Reaktions-Ansatz", "Ziel-Mittel-Ansatz" ,
"Bedingungssgrukturansatz" oder "Konstruktivistische
Ansätze" untersucht. Insgesamt ist das Kapitel jedoch - gerade im
Vergleich zu den Veröffentlichungen von Xuewu Gu "
Theorien der internationalen
Beziehungen" oder Gert Krell "
Weltbilder und Weltordnung" viel
zu kurz geraten und kann diese beiden Grundlagenwerke in keinster Weise ersetzen
oder gar ergänzen. So fehlt zum Beispiel völlig der Begriff des
"Westfälischen Friedens" und seine Auswirkungen auf die
Internationale Politik. Dies ist bei
einem solchen Grundlagenwerk - auch bei veränderter Schwerpunktsetzung - schwer
nachvollziehbar.
Im Kapitel "Problemfelder der internationalen Politik" werden unter
anderem Globalisierung und Weltmarkt, Wirtschaft und Weltarmut in der
Entwicklungspolitik, die Grenzen des Wachstums in der Internationalen
Umweltpolitik untersucht und anhand ausgewählter Problembeispiele verdeutlicht.
Hier wird auch - viel zu kurz - der zentrale Ansatz von Krieg und Frieden sowie
der enge und weite Sicherheitsbegriff abgehandelt. auch hier hätte sich
spätestens angeboten, auf den Begriff des "Sicherheitsdilemmas"
einzugehen. Dies erfolgt leider nicht.
Meines Erachtens gut gelungen - und daher insgesamt noch mit 8 Sternen bewertet
- ist allerdings das dritte Kapitel, "Außenpolitik als
Handlungsfeld", in dem der Zusammenhang zwischen Innen- und Außenpolitik
anhand der eben dargestellten Politikansätze dargestellt und dann am Beispiel
der Außenpolitik der Bundesrepublik verdeutlicht
wird. Der Zusammenhang zwischen Innen- und Außenpolitik wird insbesondere am
Beispiel der Ostpolitik dargestellt. Weiterhin wird hier in einem Unterkapitel
die amerikanische Außenpolitik "zwischen Hegemonie und
Multilateralismus" untersucht, wobei hier z.T. auf das Werk von Christian
Hacke "
Zur Weltmacht
verdammt" zurückgegriffen wird - leider ohne diesen zu zitieren.
Auch die weiteren Kapitel sind interessant, so das Kapitel "Europa am Ende
des Ost-West-Konflikts", insbesondere dort, wo die Ursachen des Endes
dieses Konfliktes dargestellt werden (S. 143). Die Autorin unterscheidet 4
Hauptfaktoren: Legitimationsdefizit aufgrund fehlender Einlösung des
"Gesellschaftsvertrages" Soziale Sicherheit gegen Mangel an
politischen Freiheiten; Veränderung der internationalen Beziehungen durch die
Einführung von Glasnost und Perestroika durch Gorbatschow nach 1985;
Globalisierung und damit eingehende Zuspitzung der Wirtschaftskrise in Osteuropa
sowie als zentralen Erklärungsfaktor die Veränderung der innenpolitischen
Situation durch das Zusammentreffen von Entstehung von Massenbewegungen und
Reformunfähigkeit der Eliten. Auf diese Zusammenhänge hat insbesondere
Wolfgang Merkel in seinen
Veröffentlichungen hingewiesen, die die Autorin - allerdings nur teilweise -
benennt.
Aus Platzgründen sei nur noch kurz darauf verwiesen, dass als weitere Kapitel
die Europäische Integration (Kapitel 5) sowie im Kapitel 6 "Global
governance" UNO und Nicht-Regierungsorganisationen (NROs) untersucht und
deren Wirken am Problembeispiel Menschenrechte dargestellt wird, deren
Verwirklichung die Autorin - zu recht - heute
als eines der "vordringlichsten Probelme" der internationalen Politik
ansieht.
Ein Anhang mit "Studienpraktischen Hinweisen und Hilfen zu Recherchen"
mit der Unterteilung in Printmedien, Zeitschriften, Jahrbücher, Handbücher und
Lexika sowie Hinweisen aus dem Internet runden dieses Grundlagenwerk ab.