Nachdem sich der Vorgänger "Die Zarentochter" um Großfürstin Olga
drehte, die schliesslich Kronprinz Karl von Württemberg heiratete, spielt
"Die russische Herzogin" ein paar Jahrzehnte später. Die Ehe von Olga
und Karl ist nicht glücklich, Kinder haben sie auch keine. Da schlägt Olgas
Bruder ihr vor, ihre Nichte Wera zu sich zu nehmen. Er verschweigt dabei, dass
Wera als sehr schwieriges und agressives Kind gilt. Olga hat in der Folgezeit
ihre liebe Mühe mit Wera, schafft es aber, die Nichte zu einem liebenswerten
Menschen zu erziehen. Doch wie Olga wird auch Wera kein Glück in der Ehe
finden, und wie die Tante kanalisiert auch sie ihre überschüssige Energie und
Liebe in soziales Engagement.
Ich habe damals "Die Zarentochter" als Urlaubslektüre gekauft und das
Buch hat meinen Erwartungen (gute Unterhaltung, flüssig geschrieben, aber ohne
Tiefgang) ziemlich genau entsprochen. Leider kann "Die russische
Herzogin" da nicht mehr mithalten. Die Geschichte hat viele, für meinen
Geschmack zu viele Parallelen zum Vorgänger.
Die Protagonisten wirken hölzern. Sämtliche Nebenfiguren erscheinen platt und
lieblos. Olga und Wera sind dagegen sehr ausführlich geschildert, aber die
Charakterzeichnung weist zum Teil grauenhafte Brüche auf. Dass Wera derart zum
passiv-schwärmerisch verliebten Backfisch wird, sich im Charakter ihres Mannes
so sehr täuscht und nach seinem Tod in völlige Lethargie versinkt, ist nicht
kompatibel mit der Charakterzeichnung in der ersten Hälfte des Romans, wo sie
als (allzu) lebhafte und durchsetzungsfähige Person geschildert wird, die
andere Personen eigentlich sehr gut einschätzen kann.
Sehr gestört hat mich auch der moralische Zeigefinger. Ja, für Angehörige des
Hochadels war damals eine glückliche Ehe eine Seltenheit, aber das ist
hinlänglich bekannt. Und ja, es war im 19 Jahrhundert für viele Frauen, die
ihre Familie allein ernähren mussten, nicht einfach, aber das muss man nicht
auf jeder dritten Seite nochmals ausführen. Und den Fokus derart auf die armen
Kinder und Mütter zu setzen, ist zwar romantischer als Weras Einsatz für
Blinde oder verstümmelte Soldaten, wird aber ihrem tatsächlichem sozialen
Engagement nicht gerecht.
Fazit
Eine typisch mittelmässige Fortsetzung eines erfolgreichen Buchs.
Vorgeschlagen von Sibylle Meister
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veröffentlicht am 06. Mai 2011 2011-05-06 14:38:49