Ankommen
"Und merke dir, dass es sich lohnt zu leben, wenn man immer einen Wunsch
vor Augen hat wie der Esel eine Karotte".
Dies ist wohl der wichtigste Satz, den seine Mutter dem kleinen, 10jährigen
Enaiatollah mit auf den Weg zu geben vermag. Viel mehr wird es nicht mehr sein,
denn über Nacht ist die Mutter verschwunden, bereits in der Fremde in Pakistan,
wohin sie mit ihrem Sohn aus Afghanistan mehr geflohen als hingezogen war.
Damit beginnt dieses kleine, aber fulminante Buch auf der Basis der wahren
Lebensgeschichte des Enaiatollah Akbari. In seiner Heimat Afghanistan unter dem
diktatorischen Regime der Taliban nicht mehr sicher, in der Fremde quasi
ausgesetzt, lässt Fabio Geda den Leser Schritt für Schritt teilhaben an der
Energie, aber auch der Lebenshoffnung des kleinen Jungen. Der umgehend beginnt,
für sich selbst zu sorgen und der von dem Wunsch angetrieben wird, diese
misslichen Umstände hinter ich zu lassen, weiter zu wandern. Zunächst sieht er
den Iran als Ziel und Ausweg, wird von dort zweimal wieder zurückgeschickt,
bevor er doch dort Fuß fassen kann. Und merkt, dass dieses Land nicht der
Endpunkt seines Weges sein kann. Am Horizont winkt eine bessere, freiere,
sicherere Welt, Europa.
Ein harter Weg bis dahin schon und auch der weitere Verlauf wird für den Jungen
kein leichter Weg sein. Voller Unsicherheit als Illegaler, was das tägliche
Überleben angeht, was die Frage angeht, wem er überhaupt vertrauen kann
(wenige). Ein Weg, der er mit Mut und Zähigkeit angeht. Ein Lebensmut und ein
Beharrungsvermögen, von dem das Buch in bester Weise kündet und dass den Leser
nicht unberührt lassen kann. Verschärft noch durch den Umstand, dass hier ein
Kind seine Geschichte erzählt, der während seiner Odyssee zum Jugendlichen
heranreift. Eine Lebensgeschichte auch der Moderne dieser Welt. Erschreckend und
in Teilen einfach abstoßend, wie Menschen nichts gelten in weiten Teilen der
Erde, wie ständige Machtinteressen und zudem fanatische Überzeugungen ganze
Völker drücken, wie der Versuch einer Ausrottung immer und immer wieder noch
im Raume steht.
Sprachlich bestens umgesetzt wurde die Geschichte von Fabio Geda, dem es
gelingt, die inneren Wechselbäder der Gefühle des kleinen Enaiatollah filigran
nachvollziehbar in seiner romanhaften Erzählung lebendig werden zu lassen.
Eine Geschichte, die auch vom Glück kündet. Aber auch Ohnmacht hinterlässt.
Denn obwohl am Ende des Weges für Enaiatollah ein Happy End im Raume stehen
wird, wird er auf seinem Weg so manchen begegnen, die am Wegesrand liegen
geblieben, ermordet, gestorben, ertrunken sind. So ist das Buch auch ein
politisches Plädoyer, nicht darin nachzulassen, sich an die Seite jener zu
stellen, die in ihren Ländern nichts gelten und unter ständiger Bedrohung für
Leib und Leben ihre Tage in Angst verbringen.
Fazit
Eine Erzählung, die auf Tatsachen beruht, die wachrüttelt und Emotionen
freisetzt. Zu Recht bereits ein Bestseller in Italien.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 06. Mai 2011 2011-05-06 12:13:00