Umgang mit dem Kollaps
In der letzten Zeit sind einige Werke, je mit besonderem Schwerpunkt,
erschienen, die das "Scheitern" zum Thema machen und einen je
konstruktiven Umgang mit dieser, oft mit unangenehmen Gefühlen und Bewertungen
Verhafteten und daher für die meisten zum Versuch führend, ein Scheitern um
jeden Preis zu verhindern, wichtigen Seite der Existenz zu finden. Sei es die
"Kunst des spielerischen Scheiterns" von Michael Stuhlmiller für die
ganz individuelle, persönliche Ebene (Scheitern als dazugehörend und vor allem
als Chance zu betrachten), seinen es die Überlegungen von Ugo Bardi in diesem
vorliegenden Werk, die am Ende den Leser gut argumentiert und überzeugend
dargestellt dahinführen, den "Kollaps" zu bewältigen". Sei es
bei Stuhlmiller das "Kippen" der Person durch Scheitern an Situationen
(was er in Bezug auf den "Clown" intensiv herausarbeitet"), sei
es das "Kippen" ganzer Systeme, von Imperien hin zum ökologischen
System, wenn ein bestimmter Punkt der Krise erreicht ist.
Wobei gilt, dass der Aufbau eines Systems, einer Fertigkeit, eines Imperiums
langdauernd in kleinen Schritten erfolgt, das "Fallen bergab"
allerdings oft mit einem Knall in viel rascherer Zeit das System zum Scheitern
bringt. Wie bei der "Mutter aller Zusammenbrüche", dem Untergang des
römischen Reiches. Dem Seneca entstammt und dem Bardi einen eigenen Hauptteil
im Buch widmet, um anhand dieser geschichtlich breit Bekannten Ereigniskette die
Gesetzmäßigkeiten von "Kippen" und "Kollaps" verständlich
zu demonstrieren.
"Um die Auswirkungen eines Kollapses zu bewältigen, muss man verstehen,
wie er entsteht, sich entwickelt und auswirkt".
Was Bardi ruhig, sachlich und nüchtern, vor allem aber durchgehend griffig und
plastisch dem Leser zu vermitteln versteht. Als Grundlage für dieses Verstehen
und die daraus zu ziehenden Folgen gilt dabei die Haltung Senecas, die
Notwendigkeit von Veränderung und Wandel bedingungslos zunächst zu akzeptieren
und damit sich nicht in "Kämpfen gegen Windmühlen" oder
"rutschende System" zu verausgaben. Sondern "mit zu kippen"
und im Scheitern bewusst genügend Energie aufzubauen, um am Ende wieder
"aufzustehen".
Die leitenden Fragen sind daher nicht: Wie kann ich eine Krise, einen Kollaps,
ein Scheitern um jeden Preis vermeiden (das wird nicht gehen, wie die Geschichte
zeigt), sondern denk- und damit handlungsfähig zu bleiben durch den klaren
Blick auf die bestmögliche Haltung: "Was ist zu tun? Das Beste machen aus
dem, was in deiner Macht steht und den Rest so nehmen, wie er natürlich
passiert".
Eine Haltung, die leicht intellektuell nachzuvollziehen ist, aber umso schwerer
"im Gefühl" umsetzbar scheint. Für den einzelnen und für
Gesellschaften. "Kollaps ist kein Defizit, er ist eine Eigenschaft".
Und gehört damit, folgt man der Lektüre aufmerksam, wie eine "natürliche
Gegebenheit" zum individuellen und allgemeinen Leben dazu. Aber, auch das
gilt, keineswegs destruktiv ist Bardis Bericht angelegt. "Wenn man weiß,
was Zusammenbrüche sind, werden sie nicht mehr überraschen und können
verhindert werden. Man kann sie möglicherweise bewältigen und zum eigenen
Vorteil verwenden".
Fazit
Was Bardi mit einer überzeugenden Strategie am Ende des Werkes belegt und diese
dem Leser damit an die Hand gibt. Es wäre zu wünschen, dass aus diesem
"das bestmögliche machen, ohne vor Angst vor einem Kollaps zu
erstarren" eine breite Reflexion politischer und gesellschaftlicher
Handlungen entsteht. Mit dem Ziel, zu prüfen, wo aus "Angst vor
Kontrollverlust" unsinnig oder gar schädlich gehandelt wird und wo mehr
"Mut zur Zukunft" auch Krisen dann nicht nur in Kauf nehmen kann,
sondern diese als gestalterische Möglichkeiten begriffen werden kann.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 04. Dezember 2017 2017-12-04 10:56:09